Page 46 - Landinfo 2/2020 Landeszentrum für Ernährung
P. 46
Gartenbau und Sonderkulturen
Gefühlte Sicherheit und essen. Würde uns das gleiche Stück Ka-
rotte in die Toilettenschüssel fallen, würden
Laut Hensel betrachtet die Mehrheit der Ver- die wenigsten Leute das Stück noch essen. In
braucher - speziell jener in Deutschland - den allermeisten Fällen sei aber die Toiletten-
Pflanzenschutzmittel als etwas Negatives. schüssel weitaus geringer mit Keimen belastet
Pflanzenschutzmittel würden als etwas Beun- als ein Spülbecken.
ruhigendes angesehen. Ihre Rückstände -
auch wenn die gesetzlich zulässigen Höchst-
mengen eingehalten werden - gelten als Ge- Wirkung von Medien
sundheitsgefahr. „Diese Einschätzung der
Verbraucher steht im eklatanten Widerspruch Bei der Berichterstattung im Zusammenhang
zu den tatsächlichen Gesundheitsrisiken, de- mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln
nen Verbraucher hierzulande ausgesetzt sind, werden häufig Schlagwörter wie z.B. „gefähr-
beispielsweise einer mangelhaften Lebens- lich“, „hochgiftig“, „gesundheitsgefährdend“
mittelhygiene in der eigenen Küche“, erklärte oder „krebserregend“ verwendet. Den Medi-
Hensel. Als anschauliches Beispiel verglich en mache Hensel dahingehend keinen Vor-
Hensel die Toilettenschüssel mit dem Spülbe- wurf. Sie seien auf Aufmerksamkeit aus und
cken: Würde uns beim Karottenschälen ein nur nachrangig auf Nachrichten-Weitergabe.
Stück Karotte in die Spüle fallen, würden wir Den meisten Menschen sei das aber nicht be-
dieses bedenkenlos wieder herausnehmen wusst. Diese mangelnde Reflexion führe
nicht nur zu durchaus diskussionswürdigen
„Wovor die Leute Angst haben“ Meinungen, sondern sogar schlicht zu Irrtü-
mern, so Hensel. Zum Beispiel würden Rück-
stände in Lebensmitteln per se als illegal an-
gesehen. Einer von Hensel zitierten Umfrage
aus dem Jahr 2016 zufolge sind 60 % der Be-
fragten der Meinung, dass Lebensmittel, die
zuvor mit Pflanzenschutzmitteln behandelt
wurden, giftig seien und im Umkehrschluss
der Meinung, dass ohne Pflanzenschutzmittel
hergestellte Lebensmittel gesund seien.
Auch die Natur hat Gifte
Dagegen würden natürliche Gefahren, wie
„In einer repräsentativen Umfrage des BfR wurde folgende Frage gestellt: Wodurch könnte die
Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln am stärksten beeinträchtigt sein? Sie können drei Bei- zum Beispiel Schimmelpilzgifte (können Le-
spiele nennen. Quelle BfR-Verbrauchermonitor 2016 Spezial Pflanzenschutzmittel berkrebs hervorrufen) häufig unterschätzt.
Die meisten Menschen glauben, dass natürli-
che Chemikalien sicherer sind als syntheti-
sche. Die Natur habe viele Gifte parat, unter
anderem als Fraßgifte. Diese sollten nur in
Maßen genossen werden. Dazu gehören zum
Beispiel Cumarin (Zimt, Waldmeister), Amyg-
dalin (Mandeln, Marzipan), Methyleugenol
(Basilikum) oder Safrol (Muskatnuss, Zimt,
Anis, schwarzer Pfeffer).
Wahrnehmung und Wirklichkeit der
Risikobewertung
Am Beispiel Glyphosat (Wirkstoff in Pflan-
„In einer repräsentativen Umfrage des BfR wurde folgende Frage gestellt: Pflanzenschutzmittel
werden in der Landwirtschaft eingesetzt, um Pflanzen vor Insekten, Unkraut oder Pilzbefall zu zenschutzmitteln zur Bekämpfung von Un-
schützen. Ich lese Ihnen jetzt einige Eigenschaften vor. Sagen Sie mir bitte jeweils, ob diese eher kraut) erläuterte Hensel, wie schwer es sei,
auf Lebensmittel zutreffen, die mit Pflanzenschutzmitteln oder solche, die ohne Pflanzenschutz- wissenschaftliche Erkenntnisse für die allge-
mittel hergestellt wurden. Quelle "BfR-Verbrauchermonitor 2016 Spezial Pflanzenschutzmittel“
meine Bevölkerung zu übersetzen und zu
46 Landinfo 2 | 2020