Page 28 - Landinfo Biodiversität
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Schwerpunktthema
Olaf Zimmermann, Harald Schneller, Dr. Mareile Zunker und
Dr. Wolfgang Wagner
Unbekannte Vielfalt sichtbar gemacht:
Biodiversität in Strauchbeeren
Der Anbau von Strauchbeeren, vor allem Brombeeren, Himbeeren und Heidelbeeren,
nimmt in den letzten Jahren immer mehr zu. Die Anforderungen an einen
rückstandsfreien Pflanzenschutz sind gestiegen. Sowohl für den geschützten Anbau,
als auch für den Anbau im Freiland werden zunehmend biologische Pflanzen-
schutzverfahren gefordert und angewandt. In Baden-Württemberg umfassten die
Einsatzflächen für Nützlinge, wie Raubmilben oder Schlupfwespen, bei Brombeeren,
Himbeeren und Heidelbeeren im Jahr 2015 bereits über 80 ha. Da lag es nahe, ein
Arteninventar von Insekten für die Strauchbeeren in Baden-Württemberg neu zu
erfassen. In vielen Kulturbereichen unserer Agrarlandschaft basieren die Angaben
zum Auftreten von Insekten inzwischen nur noch auf Literaturangaben. Ziel eines
dreijährigen, vom Ministerium für ländlichen Raum in Baden-Württemberg
geförderten Projektes am LTZ Augustenberg war es daher, zunächst die Literatur zu
recherchieren und dann diese Arten in den Kulturen aktuell nachzuweisen.
as Internet ermöglicht inzwischen Recher- räume, in Baden-Württemberg abgebildet, aber
Dchen in weltweiten Artenlisten, z.B. in ‚Fauna auch einfache Bestimmungsmerkmale angeboten.
Europaea‘, ‚Dyntaxa‘ oder ‚Global Biodiversity Damit kann man eine kleine Schlupfwespe zumin-
Information Facility‘ (GBIF). Das Katalogisieren dest schon einmal verwandtschaftlich zuordnen
hat aber seine Grenzen, da für viele Gruppen der oder einfach nachschauen, welche Arten bei uns
regionale Bezug und die Experten fehlen. Auch vorkommen. Dieser neue Blick auf die Insekten-
das Barcoding „aller Insektenarten“ droht am vielfalt in unserer Kulturlandschaft kommt dem
personellen Engpass von Fachleuten zu schei- Interesse der Praktiker (Landwirte/Gärtner) und
tern. Was nutzt eine DNA-Sequenz, wenn dem der Öffentlichkeit entgegen, die sich fragen: Was
Tier am Mikroskop vorher keiner einen Namen lebt in meiner Obstanlage, in meinem Hausgarten
geben konnte? Und was nutzt eine Übersichtskar- oder auf diesem Maisfeld eigentlich? Vieles ist
te, durch die man weiß, dass eine Art „in Deutsch- nicht bekannt und den Landwirten und Gärtnern
land“ auftritt, aber nicht genau wo und in welcher auch nicht bewusst. Daher trägt dieses Projekt
Region? dazu bei, nicht nur Schädlinge in Strauchbeeren zu
bestimmen, sondern auch Nützlinge als deren na-
türliche Gegenspieler zu erfassen und zu fördern.
Ein Ziel mit Blick in die Zukunft Das ist ein wichtiger Beitrag zur Reduzierung von
chemischen Pflanzenschutzmitteln im Obstbau.
Ziel des Projektes ist es, die Arten zusammen mit
Insektenexperten sowohl mikroskopisch als auch
molekular zu bestimmen, um so sichere Referen- Viele Methoden führen zum Ziel
zen für die Artbestimmung zu erstellen. Die Er-
gebnisse werden in einer Datenbank erfasst, die Zu Erfassung der Insekten wurden verschiedene
online frei zugänglich sein wird. Forscherinnen Methoden der Feldentomologie, wie die Klopf-
und Forscher, aber auch Erzeuger, Studierende probe, der Kescher oder ein motorbetriebener
und fachlich Interessierte können so nachvollzie- Insektensaugsammler erprobt und angewandt.
hen, welche Arten in Strauchbeeren leben. In der Die im Kernobst seit Jahrzehnten bekannte Sam-
Datenbank werden die Habitate, also die Lebens- melmethode mittels Klopfprobe konnte auch im
28 Landinfo 3 | 2019