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Klimawandel





                                                                              Kühlung in der Presse

                                                                            Durch Kühlen der Trauben oder der Maische
                                                                            bei  der  Verarbeitung  im  Kelterhaus  wurde
                                                                            dieser Gedanke konsequent weitergeführt.
                                                                            Das Staatsweingut war der erste Käufer einer
                                                                            Cool-Presse der Firma Scharfenberger. Bei
                                                                            der Weißweinbereitung werden warme Trau-
                                                                            ben bzw. Maische auf der Presse sofort ge-
                                                                            kühlt. Auf älteren Pressen wird mit Trocken-
                                                                            eis gearbeitet. Die endgültige mikrobiologi-
                                                                            sche Stabilisierung findet im Moststadium im
                                                                            Sedimentationstank statt. Hier wird der Most
                                                                            auf ca. 10 °C gekühlt.

                                                                            Bei der Rotweinbereitung werden für die Er-
                                                                            zeugung der ‚VDP.Großen Gewächse‘ die
                                                                            Trauben in kleinen Kistchen geerntet und für
                                                                            1-2 Tage in einen Kühlwagen bei ca. 6°C ge-
                                                                            stellt. Für die Erzeugung des ‚VDP.Orts-
                                                                            weins‘ wird nach der Trennung der Beeren
                                                                            von  den  Stielgerüsten  der  frei  abfließende
          Bild 2: Das neues Erntesystem mit   gerte Vegetationszeit ist potentiell mehr Zu-  Saft der Maische sehr schnell mit einem neu
          Großboxen ermöglicht, dass   ckerbildung möglich. Für die Weine bedeutet   beschafften Röhrenbündelkühler gekühlt. In
          Büttenträger in befahrbaren
          Rebanlagen ersetzt werden und   der Klimawandel bisher, dass tendenziell die   der Kellerei Freiburg, wo diese Technik nicht
          die vollen Boxen sofort zur   Alkoholgehalte gestiegen und die Säuregehal-  vorhanden ist, wird mit Trockeneis gearbeitet.
          Verarbeitung an das Kelterhaus   te rückläufig sind. Damit sich die Alkohol-
          gebracht werden können; Quelle:
          WBI Freiburg             und Säuregehalte in den prozesstechnisch   Durch die Kühlung der Trauben bzw. der
                                   akzeptablen Toleranzen befinden, muss zu-  Maische werden neben der mikrobiologi-
                                   nehmend früher, unter wärmeren Bedingun-  schen Stabilisierung auch die Bedingungen
                                   gen geerntet werden. In ungünstigen Jahren   für eine der Gärung vorgeschalteten Kaltma-
                                   kommen noch Niederschläge hinzu. Damit   zeration geschaffen. Sehr hilfreich für die mi-
                                   unterliegen die reifen zuckerhaltigen Trauben   krobiologische Stabilität der Weißweinmoste
                                   einer erhöhten Gefahr von Mikroorganismen   und Rotweinmaische ist auch die pH-Regulie-
                                   befallen und zerstört zu werden.         rung durch Säuerung, welche für besonders
                                                                            kritische Jahre per Ausnahmegenehmigung
                                   Durch eine schnelle Ernte, sofortige Verar-  durch die Landesregierung zugelassen wer-
                                   beitung, Kühlung der Trauben bzw. der Mai-  den kann.
                                   sche sowie des Mostes kann dem entgegenge-
                                   wirkt werden. Im Staatsweingut wurde in
                                   beiden Betrieben bereits 2008 ein neues Ern-  Aufwändige Verbesserungen
                                   tesystem mit Großboxen eingeführt. Mit ei-
                                   ner Gabel am Dreipunkt eines Weinberg-   Zusammenfassend ist festzuhalten, dass
                                   schleppers werden  diese Großboxen  trans-  durch den Klimawandel die Produktion im
                                   portiert (Bild 2). Die Trauben werden von   Weinberg flexibler, damit aufwändiger und
                                   Hand geerntet und in Eimern zu den Groß-  teurer wird. In der Kellerei führte der Klima-
                                   boxen gereicht und ausgeleert. Vorteil dieses   wandel zu  einem  verstärken Einsatz  von
                                   System ist, dass Büttenträger in befahrbaren   Kühltechnik und Säuerung zur mikrobiologi-
                                   Rebanlagen ersetzt werden und die vollen Bo-  schen Stabilisierung von Maischen und Mos-
                                   xen sofort zur Verarbeitung an das Kelter-  ten. Alle zuvor genannten Investitionen nur
                                   haus gebracht werden können. Zwischen der   als  notwendige  Anpassungen  in  Folge  des
                                   Ernte  der Trauben  und  ihrer  Verarbeitung   Klimawandels zu deklarieren, wäre allerdings
          Bernhard Huber           benötigt das Staatsweingut nur noch max. 90   fachlich nicht korrekt, weil damit auch quali-
          WBI Freiburg             Minuten. Selbst bei kritischem Lesegut kön-  tätsverbessernde oder arbeitswirtschaftliche
          Tel: 0761 / 40165 - 4301  nen in dieser kurzen Zeit keine unerwünsch-  Vorteile verbunden sind.  
          bernhard.huber@wbi.bwl.  ten mikrobiologischen Prozesse in Gang ge-
          de                       setzt werden.



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