Page 23 - Landinfo_ 1_2022_Klimawandel
P. 23
Ulrich Hipler
Wald im (Klima-)
Wandel
Die mediale Aufmerksamkeit für den
Wald war vermutlich seit der Wald-
sterbensdiskussion in den 1980er
Jahren nicht mehr so hoch. Die Menschen sorgen sich um die Zukunft „Ihres“ Waldes. Manche spre-
chen gar von einem „Waldsterben 2.0“ . Wie steht es um die Zukunft der Wälder in Baden-Württem-
berg und was können wir für den Erhalt der Wälder tun?
as Ausmaß der heißen und trockenen allen voran dem Borkenkäfer (Bild 1). Kurz Bild 1: Dürre und Borkenkäfer
DWitterung der Jahre 2018 bis 2020 hat gesagt, die Frequenz und die Intensität von haben diesen Fichtenwald rasch
uns wieder einmal verdeutlicht, dass wir uns Störungen werden zunehmen. Zudem sagen zum Absterben gebracht; Quelle:
LFV BW, Jonathan Fieber
bereits mitten im Klimawandel befinden. Die die Klimaprognosen für Baden-Württemberg
Temperaturen haben sich in Baden-Württem- eine Abnahme der Niederschläge in der Ve-
berg seit Beginn der Wetteraufzeichnungen getationsperiode und eine Zunahme außer-
bereits um mehr als 1 Grad Celsius erhöht halb der Vegetationsperiode voraus (LUBW
(LUBW 2021) und werden sich bis zum Jahr 2016).
2100 um weitere 2 bis 6 Grad erhöhen (LUBW
2016). Derartig rasante Klimaveränderungen
hat es selbst nach den Eiszeiten nicht gege- Grenzen natürlicher Anpassungsme-
ben. chanismen der Wälder
Die Länge der Trocken- und Hitzeperiode Wälder sind langlebige Ökosysteme, die auch
sowie deren Intensität hat zu deutlich sichtba- in Mitteleuropa regelmäßig durch Stürme,
ren Vitalitätsverlusten bis hin zum Absterben Massenvermehrungen von Insekten oder
von Waldbeständen geführt. Mit 46 Prozent Dürren geschädigt wurden. Zudem weisen
weisen fast die Hälfte aller Waldbäume im unsere Waldbäume gegenüber anderen Pflan-
Land deutliche Schäden auf. Der Laub- und zengruppen eine vergleichsweise hohe gene-
Nadelverlust liegt im Durchschnitt bei mehr tische Vielfalt auf. Daher sollte die Anpas-
als einem Viertel gegenüber einer gesunden sungsfähigkeit der Bäume gegenüber Um-
Baumkrone (FVA 2020). weltveränderungen nicht unterschätzt wer-
den. Aller Voraussicht nach wird jedoch das
Die Auswirkungen dieser extremen Witte- Ausmaß dieser Schadereignisse und die noch
rung spüren wir bis heute. So sind in Baden- nie dagewesene rasante Veränderung des Kli-
Württemberg bis Ende 2021 insgesamt mas die Anpassungsfähigkeit vieler Bäume
30.000 Hektar Schadflächen entstanden, die übersteigen. Daher müssen wir dem Wald be-
aktiv wiederbewaldet werden müssen. Dies hutsam und zielgerichtet mit klugen und
entspricht der dreifachen Größe des Natio- standörtlich angepassten Maßnahmen „unter
nalparks Schwarzwald. Das angefallene die Arme“ greifen.
Schadholz beläuft sich auf insgesamt 22 Mil-
lionen Festmeter und liegt damit in der glei-
chen Größenordnung wie die planmäßige Ziele und Maßnahmen der Waldwirt-
Holznutzung im gleichen Zeitraum läge. schaft
Aller Voraussicht nach werden zukünftig Die zentralen Aufgaben für die Waldwirt-
Phasen mit extremer Witterung häufiger auf- schaft liegen in der Steigerung der „Resili-
treten. Damit verbunden sind auch schlagar- enz“, der „Resistenz“ und der „Anpassungs-
tige Vermehrungen von Schadorganismen, fähigkeit“ der Wälder. Unter dem Begriff der
Landinfo 1/2022 23