Page 25 - Landinfo_ 1_2022_Klimawandel
P. 25

Klimawandel





       Klimaextremen oder die Kipppunkte von    ser Aufgabe hat sich der im Jahr 2020 gestar-
       Ökosystemen, noch weitgehend unbekannt.   tete Prozess der Waldstrategie für Baden-
       Daher  bleibt  auch  im  Klimawandel  ein   Württemberg gewidmet. Eines von vielen
       Grundsatz des seit fast hundert Jahren be-  Projekten, welche aus der Waldstrategie für
       kannten naturnahen Waldbaus erhalten: Die   Baden-Württemberg hervorgegangen sind,
       Baumartenwahl sollte auf standörtlicher   beschäftigt sich mit der Weiterentwicklung
       Grundlage getroffen werden.              der Waldentwicklungstypen-Richtlinie. Über
                                                das Instrument der sogenannten Waldent-
       Trotz deutlicher Arealverschiebungen wer-  wicklungstypen werden der forstlichen Praxis
       den auch zukünftig unsere Hauptbaumarten   konkrete Handlungsoptionen für Waldbe-
       Buche, Tanne, Fichte und Eiche den Waldauf-  stände aufgezeigt. Diese sind auf das stand-
       bau im 21ten Jahrhundert prägen. Allein des-  örtliche Risiko für das Auftreten von Scha-
       halb, weil diese Baumarten einen Flächenan-  dereignissen ausgerichtet und können an kli-
       teil von mehr als 70 Prozent in Baden-Würt-  matische Veränderungen angepasst werden.
       tembergs Wäldern einnehmen und zudem     Damit besteht auch die Möglichkeit, laufend
       fast die Hälfte der Wälder jünger als 60 Jahre   neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Er-
       alt ist (FVA 2015). Der wichtigste Hebel zur   fahrungen aus der Praxis in die Waldbewirt-
       Anpassung der Wälder an den Klimawandel   schaftung vor Ort zu integrieren. Die konkre-
       liegt daher in der Behandlung der bestehen-  te Zielsetzung vor Ort legen die Forstbetriebe
       den jungen und mittelalten Waldbestände und   aus einer breiten Palette an Handlungsoptio-
       nicht in der Suche nach dem „Wunderbaum“.   nen fest. Die Fördermöglichkeiten der Ver-
                                                waltungsvorschrift „Nachhaltige Waldwirt-
       Im Zusammenhang mit den in jüngerer Zeit   schaft“ bieten die notwendige finanzielle Un-
       entstandenen Schadflächen spielt die Aus-  terstützung diese umzusetzen.
       wahl und Förderung zukunftsträchtiger Bau-
       marten eine entscheidende Rolle. Im Idealfall
       hat sich auf diesen Flächen bereits kurz nach   Ausblick
       dem Schadereignis eine artenreiche natürliche
       Verjüngung etabliert. In vielen Fällen sollte   Auch in Zukunft wird das Klima in Baden-
       diese jedoch durch weitere trockenheitstole-  Württemberg für Wälder geeignet sein. Aller-
       rante Baumarten oder durch Herkünfte hei-  dings wird die Anpassung der Wälder vor
       mischer Baumarten aus wärmeren Verbrei-  dem Hintergrund des Klimawandels ein lang-
       tungsgebieten ergänzt werden. Einige seltene   fristiger und komplexer Prozess sein. Wir ha-
       und wärmetolerante Nebenbaumarten, wie   ben es in der Hand diese Wälder auf dem Weg
       beispielsweise  Spitzahorn,  Elsbeere  und   in die Zukunft zu begleiten, um sie möglichst
       Hainbuche können das Baumartenportfolio   anpassungsfähig gegenüber dem Klimawan-
       erweitern und die Vielfalt der Wälder erhö-  del zu machen. Denn nur gesunde Wälder
       hen. Unter den nicht heimischen Baumarten,   können den vielfältigen Ansprüchen der Ge-
       über die langjährige Anbauerfahrungen vor-  sellschaft, vom Trinkwasserlieferanten, zum
       liegen, spielen vor allem die aus Nordamerika   Bodenschützer über den Erholungsort, den
       stammende Douglasie und Roteiche eine Rol-  Arbeitsplatz und Holzlieferanten, sowie der
       le, da sie eine gewisse Trockenheitstoleranz   wichtigen Rolle als Klimaschützer gerecht
       aufweisen.                               werden.

       Weitere nicht heimische Baumarten, über die   Getreu dem Motto „Der Wald braucht nicht
       noch nicht genügend Anbauerfahrungen vor-  den Menschen, aber der Mensch den Wald“
       liegen, können dabei nur eine untergeordnete   sollten wir denjenigen, die tagtäglich und ge-
       Rolle spielen und sollten nur in geringen Mi-  nerationenübergreifend daran arbeiten die
       schungsanteilen und unter wissenschaftlicher   Wälder fit für die Zukunft zu machen, die
       Begleitung eingebracht werden.           notwendigen Gestaltungsspielräume einräu-
                                                men. Die auf EU-, Bundes- und Landesebe-
                                                ne geführte Diskussion zur Honorierung der
         Waldbauliche Hilfestellung der         Ökosystemleistungen für den Waldbesitz ist
         Landesforstverwaltung                  daher nur folgerichtig (Wissenschaftlicher   Ulrich Hipler
                                                Beirat für Waldpolitik 2021).           MLR, Referat 52
       Welche Ziele und Handlungsfelder bestehen                                         Tel.: 0711 / 126 - 2115
       für die Wälder in Baden-Württemberg? Die-  Literatur                              ulrich.hipler@mlr.bwl.de



       Landinfo 1/2022                                                                                       25
   20   21   22   23   24   25   26   27   28   29   30