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Klimawandel
Klimaextremen oder die Kipppunkte von ser Aufgabe hat sich der im Jahr 2020 gestar-
Ökosystemen, noch weitgehend unbekannt. tete Prozess der Waldstrategie für Baden-
Daher bleibt auch im Klimawandel ein Württemberg gewidmet. Eines von vielen
Grundsatz des seit fast hundert Jahren be- Projekten, welche aus der Waldstrategie für
kannten naturnahen Waldbaus erhalten: Die Baden-Württemberg hervorgegangen sind,
Baumartenwahl sollte auf standörtlicher beschäftigt sich mit der Weiterentwicklung
Grundlage getroffen werden. der Waldentwicklungstypen-Richtlinie. Über
das Instrument der sogenannten Waldent-
Trotz deutlicher Arealverschiebungen wer- wicklungstypen werden der forstlichen Praxis
den auch zukünftig unsere Hauptbaumarten konkrete Handlungsoptionen für Waldbe-
Buche, Tanne, Fichte und Eiche den Waldauf- stände aufgezeigt. Diese sind auf das stand-
bau im 21ten Jahrhundert prägen. Allein des- örtliche Risiko für das Auftreten von Scha-
halb, weil diese Baumarten einen Flächenan- dereignissen ausgerichtet und können an kli-
teil von mehr als 70 Prozent in Baden-Würt- matische Veränderungen angepasst werden.
tembergs Wäldern einnehmen und zudem Damit besteht auch die Möglichkeit, laufend
fast die Hälfte der Wälder jünger als 60 Jahre neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Er-
alt ist (FVA 2015). Der wichtigste Hebel zur fahrungen aus der Praxis in die Waldbewirt-
Anpassung der Wälder an den Klimawandel schaftung vor Ort zu integrieren. Die konkre-
liegt daher in der Behandlung der bestehen- te Zielsetzung vor Ort legen die Forstbetriebe
den jungen und mittelalten Waldbestände und aus einer breiten Palette an Handlungsoptio-
nicht in der Suche nach dem „Wunderbaum“. nen fest. Die Fördermöglichkeiten der Ver-
waltungsvorschrift „Nachhaltige Waldwirt-
Im Zusammenhang mit den in jüngerer Zeit schaft“ bieten die notwendige finanzielle Un-
entstandenen Schadflächen spielt die Aus- terstützung diese umzusetzen.
wahl und Förderung zukunftsträchtiger Bau-
marten eine entscheidende Rolle. Im Idealfall
hat sich auf diesen Flächen bereits kurz nach Ausblick
dem Schadereignis eine artenreiche natürliche
Verjüngung etabliert. In vielen Fällen sollte Auch in Zukunft wird das Klima in Baden-
diese jedoch durch weitere trockenheitstole- Württemberg für Wälder geeignet sein. Aller-
rante Baumarten oder durch Herkünfte hei- dings wird die Anpassung der Wälder vor
mischer Baumarten aus wärmeren Verbrei- dem Hintergrund des Klimawandels ein lang-
tungsgebieten ergänzt werden. Einige seltene fristiger und komplexer Prozess sein. Wir ha-
und wärmetolerante Nebenbaumarten, wie ben es in der Hand diese Wälder auf dem Weg
beispielsweise Spitzahorn, Elsbeere und in die Zukunft zu begleiten, um sie möglichst
Hainbuche können das Baumartenportfolio anpassungsfähig gegenüber dem Klimawan-
erweitern und die Vielfalt der Wälder erhö- del zu machen. Denn nur gesunde Wälder
hen. Unter den nicht heimischen Baumarten, können den vielfältigen Ansprüchen der Ge-
über die langjährige Anbauerfahrungen vor- sellschaft, vom Trinkwasserlieferanten, zum
liegen, spielen vor allem die aus Nordamerika Bodenschützer über den Erholungsort, den
stammende Douglasie und Roteiche eine Rol- Arbeitsplatz und Holzlieferanten, sowie der
le, da sie eine gewisse Trockenheitstoleranz wichtigen Rolle als Klimaschützer gerecht
aufweisen. werden.
Weitere nicht heimische Baumarten, über die Getreu dem Motto „Der Wald braucht nicht
noch nicht genügend Anbauerfahrungen vor- den Menschen, aber der Mensch den Wald“
liegen, können dabei nur eine untergeordnete sollten wir denjenigen, die tagtäglich und ge-
Rolle spielen und sollten nur in geringen Mi- nerationenübergreifend daran arbeiten die
schungsanteilen und unter wissenschaftlicher Wälder fit für die Zukunft zu machen, die
Begleitung eingebracht werden. notwendigen Gestaltungsspielräume einräu-
men. Die auf EU-, Bundes- und Landesebe-
ne geführte Diskussion zur Honorierung der
Waldbauliche Hilfestellung der Ökosystemleistungen für den Waldbesitz ist
Landesforstverwaltung daher nur folgerichtig (Wissenschaftlicher Ulrich Hipler
Beirat für Waldpolitik 2021). MLR, Referat 52
Welche Ziele und Handlungsfelder bestehen Tel.: 0711 / 126 - 2115
für die Wälder in Baden-Württemberg? Die- Literatur ulrich.hipler@mlr.bwl.de
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