Page 22 - Landinfo Heft 5/2017 - Schwerpunkt Klimawandel
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Schwerpunktthema
Peter Poschlod, Sibylle Bauer, Patrizia Estler, Christoph Schmid, Josef Simmel, Camilla Wellstein
Klimawandel und Biodiversität
Der anthropogene Klimawandel stellt für die Menschheit in den kommenden Jahrzehnten eine große
Herausforderung dar. Steigende Temperaturen, sich verändernde Niederschlagsmengen und
-verteilungen und sich häufende Extremwetterereignisse führen dabei aber nicht nur zu politischen
und sozialen Problemen, die bewältigt werden müssen. Ebenso sind alle Organismen betroffen, deren
Lebensumstände sich durch das sich wandelnde Klima ebenfalls verändern. Verschiebungen und
Ausdehnungen von Verbreitungsarealen, aber auch abnehmende Bestände und lokale
Aussterbeereignisse können die Folge sein. In Anbetracht der Bedeutung, die Klimaveränderungen in
Zukunft für die Verbreitung von Arten erlangen könnten, ist es geboten, über solche Veränderungen
Buch zu führen, um sie besser studieren zu können. Jedoch ist für den süddeutschen Raum bislang
keine Zusammenstellung aller Beobachtungen in dieser Form unternommen worden. Diese Studie
versucht daher, einen möglichst weitreichenden Überblick über die Veränderungen zu geben, die
tatsächlich schon eingetreten sind.
Literaturrecherche und 48% aus dem süddeutschen Raum und weite-
Expertenbefragungen re 25% aus angrenzenden Staaten. Aus diesen
Informationen wurden Ranglisten erstellt, die
ie Fragestellungen unserer Studie laute- die Häufigkeit einzelner Arten, Ordnungen,
Dten daher: (1) Bei welchen Organismen Habitate oder Lebensformen – letztere bei-
sind bislang Reaktionen auf den anthropoge- den nur für Pflanzen bzw. Kryptogamen –
nen Klimawandel beobachtet worden und innerhalb des Datensatzes aufzeigten. Aus
wie sehen diese Reaktionen aus? (2) Gibt es den am häufigsten genannten Arten wurden
Habitate, die besonders viele Beobachtungen zwanzig ausgewählt, die unserer Ansicht nach
hervorbringen? (3) Welche Organismen ver- aufgrund der erstellten Datenbank als Indika-
halten sich bislang besonders auffällig hin- toren zum Monitoring von Klimaverände-
sichtlich klimatischer Einflüsse? rungen herangezogen werden können. Die
Auswertung nach Ordnungen zeigte eine
Die Datensammlung erfolgte dabei im Rah- stark unterschiedliche Erfassungslage zwi-
men einer Literaturrecherche. Daneben wur- schen den verschiedenen Organismengrup-
den auch Experten interviewt, um deren per- pen. Eindeutig am besten untersucht sind in
sönliche Einschätzungen zu berücksichtigen. diesem Zusammenhang die Sperlingsvögel
Auf diese Weise flossen Informationen aus (Passeriformes), gefolgt von den Libellen
125 Veröffentlichungen in unsere Datenbank (Odonata).
ein und 132 Einzelpersonen und Institutio-
nen wurden kontaktiert. Nach derzeitigem Stand scheinen die Ord-
nungen der Lecanorales (eine Ordnung der
Flechten) und der Libellen überwiegend Ar-
Ergebnisse ten zu enthalten, die von den bisherigen Kli-
maveränderungen profitiert haben, wohinge-
Die Datenbank umfasste am Ende 3360 Ein- gen sich unter den Schmetterlingen (Lepido-
zelinformationen über 1982 biologische Ar- ptera) und Sperlingsvögel größtenteils Verlie-
ten aus 123 Ordnungen. Diese stammten ne- rer wiederfinden. Am meisten klimabedingte
ben den 125 Veröffentlichungen aus weiteren Vegetationsveränderungen sind bislang aus
16 mündlichen Mitteilungen von uns kontak- den Habitaten „Wald“ und „Fels und Schutt“
tierter Experten. Von allen Daten stammten bekannt. Jedoch ergeben sich dort keine oder
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