Page 21 - Landinfo Biodiversität
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Schwerpunktthema
Leon Wurtz
Mehrjährige Blühbrachen für Biodiversität und Bienen
Die Vielfalt an Landschaftsregionen und die Vielfalt an unterschiedlichen Tier- und Pflanzenarten
erfreuen uns nicht nur aufgrund von ihrer Schönheit; die Vielfalt an sich hat eine elementare Bedeutung
für das Funktionieren von Ökosystemen. Dies betrifft besonders die Funktionen, welche unterschiedliche
Arten füreinander einnehmen. Eine dieser Funktionen stellt die Bestäubung von Pflanzen durch eine
Vielzahl unterschiedlicher Tiere dar. Neben Säugetieren, Fliegen, Käfern, Wespen, Schmetterlingen
und Motten leisten besonders Bienen einen großen Beitrag als Bestäuber. Bienen sind Indikatoren
und Schlüsselspezies für gesunde Ökosysteme. Durch ihre Tätigkeit gewährleisten sie die generative
Fortpflanzung vieler Pflanzen und das Ansetzen von Früchten, welche Nahrung für andere Lebewesen
darstellen. Neben der Honigbiene (Apis mellifera) sind daran in Deutschland 585 Wildbienenarten
beteiligt.
ährend die Zahl der Imker und Honigbie- deren Bestäubung und Fortpflanzung von großer
Wnenvölker in Deutschland über die letzten Bedeutung. Abgesehen davon tragen Wildbienen
Jahre einen positiven Trend aufweist (Deutscher jedoch auch maßgeblich zur Bestäubung einiger
Imkerbund 2018), steht es um die Wildbienen an- Nutzpflanzen bei. Bei vielen Obstsorten fällt der
ders. Die vom Bundesamt für Naturschutz veröf- Fruchtansatz deutlich geringer aus, wenn diese
fentlichte Rote Liste der Bienen zeigt, dass 53 % ausschließlich durch Honigbienen bestäubt wer-
aller aufgelisteten Arten in ihrem Bestand gefähr- den und keine anderen Insekten bei der Pollen-
det sind (s. Abb. 1). übertragung beteiligt sind (Garibaldi et al. 2013).
In ihrer Gesamtheit ist die Bestäubungsleistung
wildlebender Bienen mit der von Honigbienen et-
Biene ist nicht gleich Biene wa vergleichbar. Einige Wildbienenarten sind in
ihrer Bestäubung sogar noch um einiges effizien-
Den wertvollen Status als Schlüsselarten für die ter als Honigbienen. Bei Apfelblüten etwa ist eine
Biodiversität haben sowohl Honigbienen als auch Gehörnte Mauerbiene so effektiv wie 80 bis 300
Wildbienen gemein, jedoch unterscheiden sie sich Honigbienen (Vincens & Bosch 2000).
stark in ihren Lebensweisen. Honigbienen sind
grundsätzlich sehr effiziente Bestäuber. Sie zählen Wildbienen unterscheiden sich von Honigbienen
zu den Generalisten, was bedeutet, dass sie viele auch in ihren Flugzeiten. Durch ihre physiologi-
unterschiedliche Blühpflanzen als Pollen- und schen Unterschiede können einige Wildbienenar-
Nektarquellen nutzen können. Sie sind jedoch ten wie Hummeln, Mauerbienen und Sandbienen
auch blütenstet, sodass sie bei Auftreten von Mas- bereits ab sehr niedrigen Temperaturen fliegen,
sentrachten diese als Nahrungsquelle bevorzugen. während Honigbienen erst ab etwa 12 °C aktiv
Dies ist besonders bei der Bestäubung von Raps- sind. Da sich Wildbienen, Honigbienen und ande- Abb. 1: rote Liste der Bienenarten
Quelle: Bundesamt für
feldern oder Obstplantagen von Bedeutung. re Insekten in ihrer Leistung ergänzen, kann eine Naturschutz
optimale Bestäubung nur sichergestellt werden,
Einige Wildbienen ernähren sich, wie die Honig- wenn eine vielfältige Insektengemeinschaft daran Stark gefährdet Gefährdet
bienen, von einem breiten Spektrum unterschied- beteiligt ist (Garrat et al. 2014). Leider sind beson-
licher Pflanzen. Zwischen den insgesamt 585 hei- ders die spezialisierten Wildbienenarten von der Vom Aussterben Gefährdung
bedroht
mischen Arten bestehen jedoch große Unterschie- Verarmung der Landschaft und der Abnahme wil- Ausgestorben unbekannten
Ausmaßes
de. So sind etwa ein Drittel der Wildbienen wahre der Blühpflanzen im Vergleich zu den generalisti- verschollen Extrem selten
oder
Nahrungsspezialisten und sammeln Pollen von schen Honigbienen besonders stark betroffen.
nur ganz bestimmten Pflanzenfamilien, Gattun- Eine Studie von Sheper et al. belegt, dass die Vorwarnliste
gen oder einzelnen Arten. (Bild 1)Der Grund ist, schwindende Vielfalt an Blütenpflanzen einer der Daten unzureichend
dass sich Wildbienen evolutionär sehr an ihre Le- Hauptgründe für das Wildbienensterben ist und
bensräume und die dort vorkommenden Wild- besonders die spezialisierten Arten im Vergleich Ungefährdet
pflanzen angepasst haben. Sie sind deshalb für zu 1950 sehr stark abgenommen haben.
Landinfo 3 | 2019 21