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Schwerpunktthema





       Leon Wurtz


       Mehrjährige Blühbrachen für Biodiversität und Bienen



       Die Vielfalt  an  Landschaftsregionen  und  die Vielfalt  an  unterschiedlichen Tier-  und  Pflanzenarten
       erfreuen uns nicht nur aufgrund von ihrer Schönheit; die Vielfalt an sich hat eine elementare Bedeutung
       für das Funktionieren von Ökosystemen. Dies betrifft besonders die Funktionen, welche unterschiedliche
       Arten füreinander einnehmen. Eine dieser Funktionen stellt die Bestäubung von Pflanzen durch eine
       Vielzahl unterschiedlicher Tiere dar. Neben Säugetieren, Fliegen, Käfern, Wespen, Schmetterlingen
       und Motten leisten besonders Bienen einen großen Beitrag als Bestäuber. Bienen sind Indikatoren
       und Schlüsselspezies für gesunde Ökosysteme. Durch ihre Tätigkeit gewährleisten sie die generative
       Fortpflanzung vieler Pflanzen und das Ansetzen von Früchten, welche Nahrung für andere Lebewesen
       darstellen. Neben der Honigbiene (Apis mellifera) sind daran in Deutschland 585 Wildbienenarten
       beteiligt.



             ährend die Zahl der Imker und Honigbie-  deren Bestäubung und Fortpflanzung von großer
       Wnenvölker in Deutschland über die letzten   Bedeutung. Abgesehen davon tragen Wildbienen
       Jahre einen positiven Trend aufweist (Deutscher   jedoch auch maßgeblich zur Bestäubung einiger
       Imkerbund 2018), steht es um die Wildbienen an-  Nutzpflanzen bei. Bei vielen Obstsorten fällt der
       ders. Die vom Bundesamt für Naturschutz veröf-  Fruchtansatz deutlich geringer aus, wenn diese
       fentlichte Rote Liste der Bienen zeigt, dass 53 %   ausschließlich durch Honigbienen bestäubt wer-
       aller aufgelisteten Arten in ihrem Bestand gefähr-  den und keine anderen Insekten bei der Pollen-
       det sind (s. Abb. 1).                    übertragung beteiligt sind (Garibaldi et al. 2013).
                                                In ihrer Gesamtheit ist die Bestäubungsleistung
                                                wildlebender Bienen mit der von Honigbienen et-
         Biene ist nicht gleich Biene           wa vergleichbar. Einige Wildbienenarten sind in
                                                ihrer Bestäubung sogar noch um einiges effizien-
       Den wertvollen Status als Schlüsselarten für die   ter als Honigbienen. Bei Apfelblüten etwa ist eine
       Biodiversität haben sowohl Honigbienen als auch   Gehörnte Mauerbiene so effektiv wie 80 bis 300
       Wildbienen gemein, jedoch unterscheiden sie sich   Honigbienen (Vincens & Bosch 2000).
       stark in ihren Lebensweisen. Honigbienen sind
       grundsätzlich sehr effiziente Bestäuber. Sie zählen   Wildbienen unterscheiden sich von Honigbienen
       zu den Generalisten, was bedeutet, dass sie viele   auch in ihren Flugzeiten. Durch ihre physiologi-
       unterschiedliche Blühpflanzen als Pollen- und   schen Unterschiede können einige Wildbienenar-
       Nektarquellen nutzen können. Sie sind jedoch   ten wie Hummeln, Mauerbienen und Sandbienen
       auch blütenstet, sodass sie bei Auftreten von Mas-  bereits ab sehr niedrigen Temperaturen fliegen,
       sentrachten diese als Nahrungsquelle bevorzugen.   während Honigbienen erst ab etwa 12 °C aktiv
       Dies ist besonders bei der Bestäubung von Raps-  sind. Da sich Wildbienen, Honigbienen und ande-  Abb. 1: rote Liste der Bienenarten
                                                                                         Quelle: Bundesamt für
       feldern oder Obstplantagen von Bedeutung.   re Insekten in ihrer Leistung ergänzen, kann eine   Naturschutz
                                                optimale  Bestäubung nur  sichergestellt  werden,
       Einige Wildbienen ernähren sich, wie die Honig-  wenn eine vielfältige Insektengemeinschaft daran   Stark gefährdet  Gefährdet
       bienen, von einem breiten Spektrum unterschied-  beteiligt ist (Garrat et al. 2014). Leider sind beson-
       licher Pflanzen. Zwischen den insgesamt 585 hei-  ders die spezialisierten Wildbienenarten von der   Vom Aussterben   Gefährdung
                                                                                           bedroht
       mischen Arten bestehen jedoch große Unterschie-  Verarmung der Landschaft und der Abnahme wil-  Ausgestorben   unbekannten
                                                                                                                   Ausmaßes
       de. So sind etwa ein Drittel der Wildbienen wahre   der Blühpflanzen im Vergleich zu den generalisti-  verschollen   Extrem selten
                                                                                           oder
       Nahrungsspezialisten und sammeln Pollen von   schen Honigbienen besonders stark betroffen.
       nur ganz bestimmten Pflanzenfamilien, Gattun-  Eine Studie von Sheper et al. belegt, dass die               Vorwarnliste
       gen oder einzelnen Arten. (Bild 1)Der Grund ist,   schwindende Vielfalt an Blütenpflanzen einer der       Daten unzureichend
       dass sich Wildbienen evolutionär sehr an ihre Le-  Hauptgründe für das Wildbienensterben ist und
       bensräume und die dort vorkommenden Wild-  besonders die spezialisierten Arten im Vergleich   Ungefährdet
       pflanzen  angepasst  haben.  Sie  sind  deshalb  für   zu 1950 sehr stark abgenommen haben.



       Landinfo 3 | 2019                                                                                     21
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