Page 17 - Landinfo Biodiversität
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Schwerpunktthema
ehemalige Tagebaustandorte, Truppenübungs-
plätze und Munitionsdepots, wie z.B. in Bracht.
Offenlandflächen, sich selbst überlassen, ver-
schwinden durch natürliche Sukzession und mit
ihnen die typischen Arten. Will man diese Offen-
landarten in Ihrem Bestand erhalten, so müssen
Strukturen simuliert werden, wie es sie vor der
agrarindustriellen Revolution gab.
Abgrenzung der Begriffe
Bei der Frage, welcher Zielsetzung eine bestimmte
Maßnahme dient, müssen die Begriffe Natur-
schutz, Artenschutz und Umweltschutz deutlich
voneinander abgegrenzt werden. Würde man den
Begriff Naturschutz sehr strikt auslegen, so müss-
te man sich nur auf die Unterlassung jedes
menschlichen Eingriffes an einem Standort be-
schränken und sich die standortabhängige natürli-
che Lebensgemeinschaft von Arten entwickeln
lassen. Der Naturschutz wäre also reiner Prozess- schaftlichen Betrieben häufig weitere Produkti- Abb. 1: Bestandsindex von
schutz (Schmitt, T. 2016). Mit Natur bezeichnen onsfläche dauerhaft. Eine beliebte Ausgleichs- Feldlerche, Feldsperling und
wir aber im weiteren Sinne auch die naturnahe maßnahme war und ist in Baden-Württemberg das Goldammer. Entwicklung von
1999 bis 2014.
Kulturlandschaft, deren Konservierung wir aus Anlegen von Streuobstwiesen. Die Herstellungs- Quelle: Landesanstalt für Umwelt
berechtigten Gründen für erstrebenswert halten. kosten lassen sich leicht abbilden, der erzielte Baden-Württemberg
Der Erhalt der Kulturlandschaft geht mit diversen Kompensationswert pro Flächeneinheit ist relativ
Zielkonflikten einher: der Bedarf an Wohnraum hoch. Oft wird dabei jedoch der hohe Pflegeauf-
und Infrastruktur, die Produktion hochwertiger wand, den eine Streuobstwiese für Mahd und
Nahrungsmittel in der Region und die Aufgabe Baumschnitt benötigt, nicht eingeplant bzw. ein-
traditioneller Nutzungsformen bestimmter Land- gepreist. Viele Streuobststandorte befinden sich
schaftstypen machen Naturschutz zu einem kost- im stark pflegebedürftigen Zustand (Schmieder et
spieligen Unterfangen, zumal heimische Landwir- al, 2011) und erzielen dadurch nicht die ökosyste-
te mit Produzenten weltweit am Absatzmarkt mare Leistung, wie es bei angemessener Pflege
konkurrieren. . möglich wäre.
Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) defi-
niert in §14 ob ein Eingriff in den Naturhaushalt Wenig Akzeptanz für Flächenverluste
vorliegt. §15 regelt die Rechtsfolgen eines tatbe- Abb. 2 Flächenerhebung in
Baden-Württemberg
standlichen Eingriffs. Die Eingriffsregelung soll Die Akzeptanz der Landwirtschaft, Produktions- Verkehrsfläche seit 2000.
die Kosten für die nachteilige Inanspruchnahme flächen für teils ineffiziente, teils vernachlässigte Quelle: Flächenerhebung – Stat.
des Naturhaushaltes durch ein Vorhaben auf den oder vergessene Kompensationsmaßnahmen ent- Landesamt B-W, eigene
Darstellung
Vorhabenträger internalisieren (vgl. BVerwG, U.v.
23.11.2001, NuR, 352).
Wo gebaut wird, muss kompensiert
werden
Baden-Württemberg besteht zu ca. 83 % aus land-
und forstwirtschaftlich genutzter Fläche. Städte
und Gemeinden sind siedlungshistorisch bedingt
fast immer von fruchtbaren Äckern und Grünland
umgeben, weshalb für Wohnbau- und Gewerbe-
flächen in der Hauptsache landwirtschaftliche Flä-
chen umgewidmet werden. Die für Bauvorhaben
nötige Kompensation entzieht den landwirt-
Landinfo 3 | 2019 17