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Fischereiforschungsstelle Langenargen





         Phosphordüngung als Lösung?

       Aufgrund des geringen Nahrungsangebotes für
       die Fische wurde bereits 1924 von Demoll, dem
       ersten Institutsleiter in Langenargen, die Frage
       aufgeworfen, ob man der Limitierung im Nah-
       rungsnetz „von unten“, also der Limitierung
       durch Phosphor, mit einer künstlichen Dün-
       gung entgegentreten sollte. Allerdings war be-
       reits damals durch die Forschungen in Langen-
       argen bekannt, dass ’überschüssige‘, abgestorbe-
       ne Algenzellen auf den Seegrund sinken und bei
       ihrer Zersetzung Sauerstoff verbraucht wird -
       dies ist bei einer geringen Algenmenge unkri-
       tisch. Erhält der See aber mehr Nährstoffe, so
       steigt auch seine Algenerzeugung bis zu einem
       Punkt, an dem Probleme auftreten und sich das
       Ökosystem ändert - man spricht von einer Eu-
       trophierung (Bild 1).

                                                                                  Bild 3: Der Fang während der eutrophen
       Sterben dann große Mengen an Phytoplankton   Bild 2 : Volle Netze waren zu Zeiten der   Phase: Ein Boot voller Brachsen:
       ab und sinken zu Grund, wird der Sauerstoff   „Goldenen Phase“ zwischen 1950 und 1965   Quelle: A. Blum
                                                nicht ungewöhnlich; Quelle: A. Blum
       über Grund stark aufgebraucht. Es können sau-
       erstofffreie, sogenannte anaerobe Zonen entste-
       hen. Dies führt zum Absterben zum Beispiel   Rückblickend wird diese kurze Übergangszeit
       von Fischeiern und zur Freisetzung von giftigen   zwischen oligotropher und eutropher Phase, die
       Stoffen, wie Methan und Schwefelwasserstoff. In   sogenannte mesotrophe Phase, von der Wissen-
       der Konsequenz kann der See sogar ’umkippen‘,   schaft als das erste goldene Jahrzehnt für die
       also eine plötzliche und katastrophale Zustands-  Fischerei bezeichnet: im Jahr 1956 überstieg der
       änderung erfahren. Daher wurden schon in den   fischereiliche Gesamtertrag sogar erstmals einen
       1930er Jahren zum Vorschlag von Demoll Be-  Wert von 1000 Tonnen (mt) (Bild 2).
       denken geäußert, da die Auswirkungen auf die
       Sauerstoffverhältnisse, insbesondere am See-  Im Vergleich zur oligotrophen Phase verdoppel-
       grund, einfach nicht absehbar seien. Die kriti-  te sich der Felchenertrag sowie der Jahresfang
       schen Stimmen fußten auf den Arbeiten von   pro Fischer. Ein wesentlicher Grund war das
       Elster und Einsele, die die Stoffkreisläufe er-  bessere Wachstum. So waren in den 1970iger
       forschten und so u. a. auch die Grundlage für die   Jahren die Felchen im zweiten Lebensjahr 10 cm
       spätere dritte Reinigungsstufe in den Kläranla-  länger als in den 1950er Jahren. In dieser Zeit
       gen, die Phosphatfällung, schufen.       konnte der Bodensee nicht nur den regionalen
                                                Bedarf an Fisch decken, sondern sogar einen
                                                Teil des Fanges außerhalb der Bodenseeregion
         Die Realität überholte die wissen-     vermarkten. Im Nachgang finden sich die frühen
         schaftlichen Überlegungen              Überlegungen von Demoll bestätigt: Der An-
                                                stieg des limitierenden Pflanzennährstoffs
       Nach dem zweiten Weltkrieg nahm der Eintrag   Phopshor steigerte den Fischertrag elementar.
       von Pflanzennährstoffen insbesondere in Folge
       der Einleitung von weitgehend ungeklärten Ab-
       wässern (phosphathaltige Waschmittel waren   Die Eutrophierung hat Folgen
       dabei für etwa 2/3 der Last verantwortlich), Ver-
       dopplung der Bevölkerungsdichte und der zu-  Allerdings zeigte sich dann mit weiter steigen-
       nehmenden Intensivierung in der umliegenden   den Nährstoffzufuhren die von Einsele und Els-
       Landwirtschaft, rasant zu. Der Gehalt an Ge-  ter vermutete Kehrseite der Medaille: Das Al-
       samtphosphor (gelöste Phosphorverbindungen   genwachstum nahm überhand und der See ge-
       plus partikulärer Phosphor, Pges), ab hier P-  riet langsam aus dem Gleichgewicht. Diese
       Gehalt oder TP genannt, der noch zu Anfang   Entwicklung wurde zuerst von den Fischern
       der 1950er Jahre bei unter 10 µg/L lag, stieg in-  angesprochen, worauf erste generelle Warnun-
       nerhalb weniger Jahren bis 1965 auf 35 µg/L an.   gen der Wissenschaft folgten.



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