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Fischereiforschungsstelle Langenargen





          Dr. Alexander Brinker und Dr. Jan Baer


          Auswirkungen des sich ändernden Nährstoffgehaltes des

          Bodensees auf die Fischereiforschung



          Immer wieder werden die Mitarbeiter der Fischereiforschungsstelle (FFS) auf das Thema Bodensee
          und  Nährstoffzufuhr  angesprochen.  Nahezu  jeder  Mensch  in  Baden-Württemberg  kennt  wohl  die
          100jährige Genese des Sees von einem klaren Voralpensee zu einem überdüngten Gewässer kurz vor
          dem Exodus und nun wieder hin zu einem Trinkwasserspeicher für über 5 Millionen Menschen und zu
          einem beliebten Ausflugsziel von unzähligen Touristen. In den nachfolgenden Zeilen wird daher die
          Forschung und Arbeit am See beschrieben, die mit der schwankenden Nährstoffzufuhr am Bodensee
          einherging – ein Thema, welches sich über 100 Jahre verfolgen lässt und beispielhaft zeigt, wie ange-
          wandte Forschung und Biotopschutz auf gesellschaftliche und biologische Entwicklungen reagieren.





                                     Der Nährstoff der Forschung            Produktion in der höchstwertigen Form auf
                                                                            möglichst wirtschaftliche Weise dem Menschen
                                   Zur Zeit der Gründung der Forschungsinstitute   als Fischereiprodukt nutzbar gemacht wird“. Vo-
                                   am See stand die Versorgung der Bevölkerung   raussetzung dafür war das Verständnis über die
                                   mit nahrhaften Lebensmitteln im Vordergrund.   kausalen Zusammenhänge im Stoffumsatz und
                                   Hauptziel war daher, einen möglichst hohen   die Produktivität des Sees.
                                   dauerhaften Ertrag zu erzielen und eine nach-
                                   haltige Fischerei zuzulassen. Aus der Sicht von   Die Rolle des Phosphors als begrenzender Fak-
                                   Hans-Joachim Elster, der die Leitung des Lan-  tor für das Algenwachstum (Primärproduktion)
                                   genargener Institutes 1931 übernahm, war die   und damit für das Heranwachsen der Fischnähr-
                                   Aufgabe der Wissenschaft „den gesamten biolo-  tiere (Zooplankton) wurde früh erkannt. Der
          Bild 1: Algenteppich: typischer
          Anzeiger einer starken Eutrophie-  gischen Stoffumsatz im Gewässer so zu steuern,   Bodensee war zur Gründungszeit der erwähn-
          rung; Quelle: FFS Langenargen  dass ein möglichst großer Anteil der biogenen   ten Institute ein nährstoffarmer (oligotropher)
                                                                            See. Gespeist durch vorwiegend nährstoffarme
                                                                            Zuflüsse waren Pflanzennährstoffe Mangelware.
                                                                            Algen, das sogenannte Phytoplankton, konnten
                                                                            sich im See nur so lange entfalten, bis diese
                                                                            Nährstoffe, allen voran der Phosphor, aufge-
                                                                            braucht waren. Infolge des geringen Phyto-
                                                                            planktonaufkommens blieb auch die Menge an
                                                                            Zooplankton niedrig. Insbesondere die Felchen
                                                                            des Freiwassers, die Blaufelchen, die sich nahezu
                                                                            ausschließlich von Zooplankton ernähren,
                                                                            mussten sich an diese Situation anpassen. Die
                                                                            Nährtiere erreichten nur im Juni und Juli ein
                                                                            hohes Bestandsniveau und fielen dann stark ab,
                                                                            so dass sich das Jahreswachstum der Felchen auf
                                                                            diese kurze Zeitspanne konzentrierte. Nach Els-
                                                                            ter (1993) reichte zu diesen Zeiten die Menge an
                                                                            Nährtieren nur für etwa 1000 Magenfüllungen
                                                                            des gesamten Blaufelchenbestandes des Boden-
                                                                            see-Obersees – ein Wert, der aus heutiger wis-
                                                                            senschaftlicher Sicht zwar bezweifelt werden
                                                                            darf, der aber die grundsätzliche Nahrungs-
                                                                            knappheit anschaulich widerspiegelt.



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