Page 11 - Landinfo_3_2021
P. 11
Fischereiforschungsstelle Langenargen
mentiert, dass eine solche Steuerung den Bild 4: Die Einflussgrößen auf den
See weiterhin sicher in einem oligotro- Bodensee ändern sich stetig - da-
mit wächst der Aufgabenbereich
phen Zustand halten würde, aber der fi- der FFS; Quelle FFS Langenargen
schereiliche Ertrag für die regionale
Nachfrage und das Auskommen der Be-
rufsfischerei reichen könnte. Jedoch zeigt
die öffentliche Diskussion sehr deutlich,
dass derzeit auch nur leichte Korrekturen
des P-Gehalt nach oben von behördlicher
Seite undenkbar sind – auch stehen mög-
liche ökologische Folgen, die niemand
genau abschätzen kann, diesem Ansinnen
entgegen.
Ausblick
wichtige Untersuchungsfelder. Zusätzlich wur-
den auch andere Themen bearbeitet, z. B. die Das dargestellte Beispiel „Nährstoffversorgung
Biologie von Fischarten wie Aal, Saibling, Seefo- Bodensee“ zeigt deutlich, welche Verantwor-
relle, Trüsche oder Brachse inklusiv ihrer Parasi- tung in den Händen des Gewässerschutzes und
tierung. der Fischereiforschung liegt. Auch wenn nun
der Bodensee wieder hinsichtlich seines Nähr-
Ab etwa 2005 befand sich der Bodensee-Ober- stoffgehaltes in einen Zustand wie vor 100 Jah-
see wieder in einem sehr nährstoffarmen oligo- ren gebracht wurde, sind viele andere neue Fak-
trophen Zustand (TP < 10 µg L-1; Abb. 1). Ge- toren vorhanden, die auf den See einwirken.
koppelt an diese Entwicklung ging auch der
Felchenertrag auf die Werte zu Beginn der Neu eingeschleppte Tierarten wie Stichling
1950er Jahre zurück. Seit 2012 sind weitere dra- oder Quagga-Muschel sowie die starke Zunah-
matische Rückgänge zu verzeichnen, seit 2015 me des Kormorans machen dem Fischbestand
werden nahezu jährlich neue Minusrekorde ver- und damit auch den Fischern zu schaffen. Au-
meldet (Abb. 1). 2019 war das Jahr mit den nied- ßerdem wirken Klimawandel und neue chemi-
rigsten Erträgen seit Beginn der Aufzeichnun- sche Stoffe zusätzlich auf den See und seine
gen 1910. Damit kann der fischereiliche Ertrag Bewohner ein. Daher ist die Aufgabenfülle für
des Bodensee-Obersees heute den regionalen die FFS am Bodensee sehr umfangreich – genau-
Bedarf an Bodenseefisch nicht mehr in Ansät- so wie im übrigen Land. Viele Fragen und Auf-
zen decken und die wirtschaftliche Basis für die gaben sind zu bearbeiten. Wie wirkt sich der PD Dr. Alexander Brinker
Berufsfischerei ist massiv gefährdet. Die Angel- Klimawandel auf die Fische und auch die Fisch- Fischereiforschungsstelle
fischerei scheint weniger stark unter den Ein- züchter in ganz Baden-Württemberg aus? Wie Langenargen
flüssen zu leiden, da die Angler auf Fischarten kann man aus Sicht des Fischartenschutzes und Tel.: 07543 / 9308 - 324
ausweichen können, die weniger stark von der der Fischzüchter den steigenden Lufttemperatu- alexander.brinker@lazbw.
Nährstoffsituation abhängen (Raubfische zum ren und sinkenden Grundwasserständen begeg- bwl.de
Beispiel.). Der Ertrag der Angler ist daher seit nen? Und wie beeinflussen Mikroplastik oder
Jahren relativ stabil. Die Berufsfischer können neue, klimawandelgetriebene Krankheiten die
hingegen nur sehr eingeschränkt auf andere Fische? Wie müssen sich Angler umstellen, wel-
Fischarten ausweichen: für sie ist und bleibt der che Arten können sie zukünftig überhaupt noch
Felchen der ökonomisch bedeutsamste Fisch, beangeln? Sollte man ganze Flüsse oder Seen
denn der Verbraucher (Tourist, regionale Gast- unter Schutz stellen, um rückläufige Arten nicht
ronomie) verlangt nach diesem regionalen Aus- ganz zu verlieren? Warum ist die Erzeugung von
hängeschild. Die schlechte Versorgungssituati- heimischem Fisch in unseren Fischzuchten eine
on mit heimischem Fisch und die wirtschaftli- gute Idee und wieso ist ihr ökologischer Fußab-
che Situation der wenigen noch aktiven Berufs- druck so unschlagbar nachhaltig?
fischer am Bodensee-Obersee haben dazu
geführt, dass Anfragen für eine moderate Erhö- Bei diesem Portfolio an Herausforderungen Dr. Jan Baer
hung des P-Gehalts auf Werte von 10-12 µg/l wird die FFS sicherlich weitere 100 Jahre for- LAZBW - FFS
gestellt wurden. Diese Erhöhung soll vorzugs- schen - zum Wohle des Fischartenschutzes und Langenargen
weise durch eine Reduzierung der P-Fällung in der angewandten Fischerei. Tel.: 07543 / 9308 - 314
den Kläranlagen erreicht werden. Es wird argu- Literaturnachweis jan.baer@lazbw.bwl.de
Landinfo 3/2021 11