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Gartenbau und Sonderkulturen
schon weit verbreitet ist, ergeben sich durch umfasst fünf Pilotanlagen mit denen das Sy-
die Überdachung mit Solarmodulen Synergi- nergiepotential der hybriden Landnutzung
en. Anstatt der bisher installierten Hagel- ausgelotet werden soll. Neben dem ISE sind
schutznetze können Agri-PV-Anlagen die das Landwirtschaftliche Technologiezentrum
Früchte vor Hagel, Sonnenbrand oder Stark- Augustenberg, die Hochschule für öffentliche
regen schützen. Auf der anderen Seite kann Verwaltung Kehl, das Kompetenzzentrum
durch eine Verbesserung des Mikroklimas Obstbau Bodensee, der Obsthof Vollmer in
unter den PV-Modulen über die Transpirati- Oberkirch, die Staatliche Lehr- und Versuchs-
onskühlung der Pflanzen der Wirkungsgrad anstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg so-
der Solarmodule verbessert werden - im wie der Obsthof Bernhard in Kressbronn
Idealfall also eine Win-Win-Situation für bei- weitere Projektpartner. Die beiden letztge-
de Systeme. nannten Partner stellten im Rahmen des
Weinsberger Obstbautages ihr Vorhaben vor.
Die technischen Ansätze zur Integration der
Photovoltaik in die Landwirtschaft sind so
divers wie die Landwirtschaft selbst. Im Modellvorhaben Obsthof Bernhard
Obstbau kommen offene, hoch aufgestän-
derte Systeme zum Einsatz. Agri-PV-Anlagen Sina Bernhard vom Obsthof Bernhard in
sind derzeit in der Regel keine nach §35 Kressbronn berichtete über die im Mai 2022
BauGB privilegierten Vorhaben, sodass mit- durch Ministerpräsident Kretschmann eröff-
unter langwierige Baugenehmigungsverfah- nete Agri-PV-Anlage, die über einer beste-
ren sowie Anpassungen des Flächennut- henden 0,4 ha großen zehnjährigen Galaanla-
zungsplanes notwendig sein können. Um ge gebaut wurde. Die Anlage verfügt über
diese Technologie schnell zu verbreiten und eine installierte Leistung von knapp 250 kWp
die bürokratischen Hürden abzubauen, sind und besteht aus verschiedenen Modulen mit
laut Hörnle dringend Anpassungen durch einem Lichtverlust von 40 bzw. 50 Prozent.
den Gesetzgeber erforderlich. Von oben betrachtet sieht die Agri-PV aus
wie ein Hagelschutznetz und fügt sich somit
Mit seinen umfassenden Kompetenzen zum in das am See durch den Obstbau geprägte
Thema erneuerbare Energien ist das ISE auch Landschaftsbild gut ein.
wichtiger Partner in einem von der Landesre-
gierung von Baden-Württemberg mit 2,5 Beweggrund an dem Forschungsvorhaben
Mio. Euro unterstützen Forschungsprojekt. mitzumachen, war das Volksbegehren „Rettet
Das Demonstrationsvorhaben „Modellregi- die Biene“. Wären die Maximalforderungen
Bild 2: Agri-PV an der LVWO;
Foto: König, LVWO on Agri-Photovoltaik Baden-Württemberg“ der Initiative „Pro Biene“ umgesetzt worden,
wäre ein Pflanzenschutzmitteleinsatz im Be-
trieb Bernhard, dessen Flächen zu 90 Prozent
im Landschaftsschutzgebiet liegen, nicht
mehr möglich gewesen. Das Projekt stellte
somit eine gute Möglichkeit dar, zusätzliches
Einkommen zu generieren und den Pflanzen-
schutzmitteleinsatz zu reduzieren. Die Ein-
sparung von Pflanzenschutzmitteln ist eine
wichtige Versuchsfrage des Forschungsvor-
habens. Im letzten Sommer 2022, der sehr
trocken und sonnenintensiv war, konnte fast
gänzlich auf den Einsatz von Fungiziden ver-
zichtet werden. Frau Bernhard hofft, dass
man auch zukünftig in niederschlagsreicheren
Jahren keine bzw. weniger Fungizide ausbrin-
gen muss. Im ersten Versuchsjahr 2022 wurde
der Ertrag und die Ausfärbung der Früchte
nicht durch die Module beeinflusst. Wichtiges
Augenmerk legte Frau Bernhard allerdings
auf die Entlaubung und den Sommerschnitt,
der essentiell für eine gute Ausfärbung der
Äpfel unter den Solarmodulen ist und im Be-
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