Page 29 - Landinfo 5_2021 Akademie für Landbau und Hauswirtschaft Kupferzell
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ALH Kupferzell





       Eine besondere Herausforderung für die im   Hierfür werden gleich zu Schulbeginn des
       süddeutschen Raum überwiegenden klein-   ersten Halbjahres Einzelgespräche durchge-
       strukturierten Familienbetrieben ist die feh-  führt, bei denen der jeweilige Buchführungs-
       lende Kostendegression. Hier könnte die Zu-  lehrer sowie die verantwortliche Lehrkraft für
       sammenarbeit mit anderen Landwirten oder   die Betreuung der Facharbeit zusammen mit
       anderen  Geschäftspartnern  hilfreich  sein.   jedem einzelnen Studierenden über betriebli-
       Um Denkprozesse in diese Richtung anzusto-  che und familiäre Voraussetzungen, sowie
       ßen, führen wir einen Kooperationsblock   betriebliche Pläne der Studierenden sprechen.
       durch, der sich mit unterschiedlichsten Zu-  Ziele dieses Gesprächs sind eine individuelle
       sammenarbeitsformen im landwirtschaftli-  Betreuung vom ersten Tag an, das Schaffen
       chen  und landwirtschaftsnahen Bereich be-  eines Vertrauensverhältnisses, sowie eine
       fasst.                                   frühzeitige Sensibilisierung des Studierenden
                                                für die weitreichenden Entscheidungen die
                                                vor ihnen liegen.
         Zielbetrieb
                                                Auch der Begriff Wachstum muss in seiner
       Der optimierte Ist-Betrieb ist die Grundlage   vollumfänglichen Bedeutung erkannt werden.
       für die Zielbetriebe. Diese Zielbetriebe füh-  Der knappe Faktor Fläche, Emissions- und
       ren gelegentlich zu Kritik an Unterricht der   Umweltschutz sowie Kostenexplosion und
       Fachschulen. Es wird bemängelt, diese Vor-  gesellschaftliche Anforderungen an Tierhal-
       gehensweise würde die Betriebe ins Wachs-  tung und Landbewirtschaftung lassen den
       tum treiben. Es lässt sich nicht leugnen, dass   althergebrachten  Satz  „Wachsen  oder  Wei-
       diese Ziele oftmals mit einer Produktionsaus-  chen“ nur noch bedingt gelten. Der ressour-
       dehnung einhergehen. Eine Optimierung der   censchonende Umgang mit den Produktions-
       Betriebe auf den erstlimitierenden Produkti-  faktoren und die Ökologisierung der Produk-
       onsfaktor muss aber nicht zwangsläufig zu   tion können ebenfalls zur betrieblichen Opti-
       einer Intensivierung der Produktion oder   mierung beitragen. Daher kommt der
       Selbstausbeutung führen. Wenn die agrarpo-  Wertschöpfungstiefe in den Zielvarianten ei-
       litischen Vorgaben es ermöglichen, mit exten-  ne immer größere Bedeutung zu. Direktver-
       siverer  Bewirtschaftung  ein  auskömmliches   marktung im Hofladen, Online-Verkäufe,
       Einkommen zu erreichen, können auch Ex-  Vermarktung an regionale Wiederverkäufer
       tensivierung und  mehr  Tierwohl den Ver-  oder Verkaufsautomaten nehmen von Jahr zu
       bund aus Familie und Betrieb voranbringen.   Jahr an Bedeutung zu. Mit dem Einstieg in
       Kommt hierzu noch eine ausreichende Pla-  alternative Absatzwege wird oftmals auch die
       nungssicherheit, welche der Langfristigkeit   Produktion differenzierter. Das stellt auch
       der Investitionen im landwirtschaftlichen Be-  Lehrpersonal  immer  wieder  vor  spannende
       reich entspricht, wird den landwirtschaftli-  Herausforderungen. Auch die Bereiche Mar-
       chen Familien auch eine gute Work Life Ba-  keting und Verbraucherkommunikation neh-
       lance ermöglicht, ohne Angst abgehängt zu   men zunehmend mehr Raum im Unterricht
       werden.                                  ein. Das soll den Studierenden ermöglichen
                                                einen der wichtigsten Standortvorteile bei uns
       Für uns an der ALH Kupferzell ist dabei   im süddeutschen Raum zu nutzen – die Kauf-
       wichtig, die Kompetenz der Studierenden zu   kraft der Bevölkerung vor Ort.
       stärken,  damit  sie  ihre  Entscheidungen  be-
       wusst treffen können, ohne die Betriebe in   Auch in Zukunft ist davon auszugehen, dass
       eine Richtung zu lenken. Die unternehmeri-  die Anforderungen an unsere Studierenden
       sche Freiheit den eigenen Betrieb innerhalb   ansteigen werden. Die betriebsindividuellen
       des Rechtsrahmens selbstbestimmt zu entwi-  Standortvorteile jedes einzelnen Betriebs ziel-
       ckeln, bleibt deshalb die oberste Prämisse.   gerichtet herauszuarbeiten,  um sie in  bare
       Um diesen Prozess so gut als möglich beglei-  Münze umzuwandeln, ist eine besondere He-
       ten zu können, ist es für uns als Lehrende in   rausforderung für unsere Studierenden.
       der ALH von entscheidender Bedeutung be-  Schafft es die Politik, die richtigen Weichen zu
       reits in der ersten Schulwoche die Studieren-  stellen und schaffen es auch die Landwirte,   Martin Heck
       den und ihre Betriebe möglichst genau ken-  die Bevölkerung mit ins Boot zu holen, kann   ALH Kupferzell
       nenzulernen  und  die  Studierenden  für  eine   dies eine Chance für viele Betriebe sein und   Tel.: 07944 / 9173 -
       bewusste Entscheidung bezüglich der be-  zu einer vielfältigeren Landwirtschaft führen.    martin.heck@akademie-
       trieblichen Entwicklung  zu sensibilisieren.                                     kupferzell.de



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