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Meine Tiere sind den täglichen Umgang mit
       mir gewohnt und wachsen artgerecht in ver-
       trauter Umgebung auf. Jedoch merken sie
       schnell, wenn man nicht routinemäßig zum
       Füttern oder der Tierkontrolle kommt. Spezi-
       ell beim Be- und Entladen der Tiere kann es
       gefährlich werden. Wenn die Tiere aus dem
       Herdenverbund und ihrer vertrauten Umge-  wesentlichen Unterschied macht, ob es ganz-  Bild 1 und 2: Wagyu Rinder
       bung genommen werden, bekommen sie       jährig oder nur im Sommer auf der Weide   grasen auf der Weide; Quelle:
       Angst und das verursacht Stress. Wir arbeiten   steht und mit dem Weideschuss erlegt wird. In   Gerd Bayer
       das ganze Jahr für unsere Tiere und ermögli-  beiden Fällen werden die Tiere in ihrer ver-
       chen ihnen eine umfassend artgerechte Hal-  trauten Umgebung geschlachtet, was Stress
       tung. Es ist nur eine logische Konsequenz,   und Angst minimiert. Nach dem europäischen
       dass wir ihnen den Stress beim Verladen und   Recht ist der Weideschuss nicht zwangsläufig
       den Transport zum Schlachthof ersparen   an eine ganzjährige Weidehaltung gebunden.
       wollen.                                  Hier wurden die Vorgaben auf nationaler
                                                Ebene in Deutschland verschärft.
       Neben dem Tierwohl profitiert auch die
       Fleischqualität von der hofnahen  Schlach-  Abschließend bleibt zu sagen, dass die Bio-
       tung. Wenn ein Tier Stress hat, schüttet es   Musterregion Main-Tauber bekannt für ihre
       Adrenalin aus. Das führt zum Absinken des   nachhaltige Landwirtschaft und ihr Engage-
       Glykogenspiegels und damit auch zum An-  ment für umweltfreundliche Praktiken ist.
       stieg des ph-Wertes. Das Fleisch wird dadurch   Die hofnahe Schlachtung passt perfekt zu
       zäh oder kann weniger leicht den Fleischsaft   diesem Ansatz, da sie kurze Transportwege
       halten. Wenig Stress und Angst bei den Tieren   und eine individuellere Betreuung der Tiere
       während des Schlachtprozesses führen zu   ermöglicht. Die Tiere können in der Region
       zarterem und schmackhafterem Fleisch. Eine   bleiben. Das reduziert nicht nur den Stress
       kurze Ruhephase nach dem Schlachten trägt   und die Belastung, sondern stärkt auch die
       weiter zur Verbesserung der Fleischqualität   lokale Landwirtschaft. Sie fördert das Tier-
       bei.                                     wohl, stärkt die lokale Wirtschaft und bietet
                                                Landwirten die Möglichkeit, ihr Fleisch direkt
       Obwohl die Vorteile der hofnahen Schlach-  an lokale Verbraucher zu vermarkten. Kleine-
       tung  unbestreitbar sind, entstehen  für  den   re landwirtschaftliche Betriebe können von
       Landwirt bei der Umsetzung sehr hohe Kos-  dieser Praxis profitieren, indem sie ihre Rin-
       ten. Neben den Anschaffungskosten, welche   der in der Region verarbeiten und das frische
       wir kleinen Betriebe uns ohne die Förderung   Fleisch direkt an lokale Verbraucher liefern.
       finanziell nicht leisten können, sind auch die
       laufenden Kosten und die Investitionen in   Die Erlaubnis des Weideschusses für Som-
       geeignete Räumlichkeiten nicht  zu unter-  merweidehaltung kann dazu beitragen, die
       schätzen.                                Vorteile dieser Praxis zu maximieren, ohne
                                                das Wohl der Tiere zu gefährden. Insgesamt
       Bei der Überwindung der bürokratischen   könnten diese Ansätze die regionale Land-
       Hürden im Rahmen der Genehmigungsver-    wirtschaft nachhaltiger und ethischer gestal-
       fahren und der Förderanträge unterstütze uns   ten und die Region als Vorreiter in Sachen
       die Bio-Musterregion. Eine Vereinfachung   Tierwohl und Fleischqualität präsentieren.“
       und Beschleunigung des Genehmigungspro-
       zesses könnte dazu beitragen, die hofnahe
       Schlachtung zugänglicher zu machen. So wä-  Nachhaltige Wertschöpfungskette für
       ren es zukünftig keine Ausnahmen mehr.     Weidefleisch aus der Region

       Wir haben die Hoffnung, dass der Weide-  Durch die GbR-Gründung und die Anschaf-  Stefan Fiedler
       schuss zukünftig nicht mehr an eine ganzjäh-  fung der Schlachteinheit kann in Zusammen-  LRA Main-Tauber-Kreis
       rige Weidehaltung gebunden ist. Der Weide-  arbeit mit lokalen Metzgerbetrieben eine   Regionalmanager Bio-
       schuss ist eine umstrittene, aber potenziell   Wertschöpfungskette für regionales Weide-  Musterregion
       tierfreundliche Methode zur Tötung von Rin-  fleisch aufgebaut werden. Es bleibt abzuwar-  Tel.: 07931 / 4827 - 6341
       dern im Rahmen der Schlachtung. Es ist wich-  ten, ob auch weitere Betriebe diesem Beispiel   stefan.fiedler@main-
       tig zu betonen, dass es für das Tier keinen   folgen möchten.                    tauber-kreis.de


       Landinfo 4 | 2023                                                                                      9
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