Page 55 - Landinfo Heft 4/2018 Schwerpunkt Gemüse
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Gartenbau und Sonderkulturen
Michael Petruschke
Virustestung, Virusfreimachung und Vermehrung von
Vorstufen- und Basismaterial von Obstsorten
Viren sind submikroskopisch kleine Partikel mit einer Länge zwischen 17 und 2000 Nanometer. Sie
besitzen keinen eigenen Stoffwechsel und sind auf Wirtsorganismen angewiesen. Auch an Pflanzen
können sie als Krankheitserreger auftreten und zu Ertragseinbußen und sogar zum Tode der Pflanzen
führen. Nach einer Infektion sind sie in der Pflanze nicht mehr zu bekämpfen. Um eine weitere
Virusausbreitung zu verhindern, besteht die einzige Möglichkeit in der Rodung der befallenen Pflanzen.
Insbesondere bei Dauerkulturen, wie Obstpflanzen, ist die Verwendung virusfreier, zertifizierter
Pflanzen von großer Bedeutung.
n der EU wird die Vermehrung von Obst- dauern kann. Eine Verkürzung kann im Ge-
Ipflanzen gesetzlich durch die Richtlinie wächshaus erreicht werden.
2008/90/EG, in Deutschland durch die An-
baumaterialverordnung (AGOZV) geregelt. Biotests sind auch heute noch aktuell, da man
Für die Produktion und Vermehrung von vi- das gesamte Virusspektrum einer Obstgat-
rusfreiem Vermehrungsmaterial sind Virus- tung erfassen kann. Um Indikatorpflanzen zu
testung, Virusfreimachung und Stufenaufbau infizieren, bedient man sich bei verholzenden
wesentliche Bausteine. Diese Aufgaben wer- Obstbaumarten der bekannten Veredlungs-
den im Auftrag des Landes Baden-Württem- methoden wie Okulation, Chip-Budding und
berg am LTZ Augustenberg, Referat 33, Kopulation, abhängig von der Jahreszeit und Fotos: M. Petruschke
durchgeführt und sind die Grundlage für die dem Entwicklungsstand der Pflanzen. Bei
Bereitstellung von anerkanntem Vorstufen- Erdbeeren und Himbeeren hat sich die Blatt-
und Basismaterial. stielpfropfung bewährt, da sie relativ schnell
durchzuführen ist. Nach der Pfropfung müs-
sen die Pflanzen für zwei Wochen bei hoher Abbildung 1
Nachweis latenter Apfelviren in
Virustestung Luftfeuchte gehalten werden, wodurch es zu der Baumschule
einem Verwachsen der gepfropften Blattstiele
Virusbefall ist aufgrund der Symptome nicht mit dem Indikator kommt (Abb. 2). Für eine
immer eindeutig zu identifizieren und oft deutliche Ausprägung von Virussymptomen
nicht sichtbar, also latent. Um eine Virusin- ist eine optimale Kulturführung Vorausset-
fektion nachzuweisen, muss ein spezieller Vi- zung. Wenn man die Testungen im Gewächs-
rustest erfolgen. haus vornimmt, dürfen die Temperaturen
mittelfristig nicht über 25°C steigen, weil an-
Seit der Entdeckung der Pflanzenviren wur- sonsten die Symptome unterdrückt würden.
den verschiedene Nachweismethoden entwi- Die Symptome sind je nach verwendetem In-
ckelt. Die ersten waren sogenannte Biotests dikator spezifisch und lassen sich definierten
mit virussensiblen Indikatorpflanzen, die Virosen zuordnen. Ein Beispiel für einen In-
nach einer Infektion deutliche Symptome zei- dikator ist die Kirschensorte Canindex, die
gen. Der Vorteil dieser Methode liegt in ihrer sehr deutlich auf den Befall mit dem Virus
Empfindlichkeit. Selbst geringe Viruskon- der Kleinfrüchtigkeit (Little cherry virus) re-
zentrationen werden durch die Vermehrung agiert (Abb.3).
der Viren in der Pflanze erhöht, so dass die
entsprechenden Symptome an der Indikator- Im Labor hingegen kann man mit den ge-
pflanze mit der Zeit sichtbar werden. Indi- bräuchlichen Verfahren wie ELISA und PCR
katortestungen können im Gewächshaus nur gezielt gegen spezielle Erreger testen. An-
oder im Feld (Abb. 1) durchgeführt werden. dererseits lassen sich im Labor in wenigen
Ein Nachteil der Methode ist die lange Test- Tagen sehr große Mengen von Proben unter- Abbildung 2
Blattstielpfropfung an Erdbeer-
dauer, die von 3 Monaten bis zu zwei Jahren suchen. Diese Verfahren eignen sich eher für Indikatoren
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