Page 42 - Landinfo Heft 5/2017 - Schwerpunkt Klimawandel
P. 42
Pflanzen- und Tierproduktion
Beurteilung der Futtermittelqualität KBE/g – das kommt in der Praxis jeweils bei
weniger als 10% aller Proben vor.
Die Untersuchung von Clostridien zur Beur-
teilung der Futtermittelqualität macht insbe-
sondere dann Sinn, wenn Futtermittel ganz Erkrankungen durch Clostridien
oder zeitweilig unter anaerobem Einfluss
standen. Dies trifft etwa bei Gärfuttermitteln Die Erkrankungen, die durch Clostridien her-
wie Gras- und Maissilagen zu, Totalmischra- vorgerufen werden können, sind sehr vielfäl-
tionen, Biertreber, Feucht- und Dosenfutter, tig, lassen sich aber in vier grundsätzliche
aber auch bei verunreinigten Proben, die mit Erkrankungsbilder untergliedern, nämlich die
Erdboden, Kot und Kadavern in Berührung Gasödeminfektionen, Enterotoxämien, Neu-
gekommen sind. Durch die unerwünschten rotoxin-Intoxikationen und weitere Entzün-
Gärprozesse der Clostridien – im Folgenden dungskrankheiten. Als Infektionsursache
am Beispiel der Silagen näher beschrieben - spielen Verletzungen durch Bisse, Stiche,
werden Kohlenhydrate, Aminosäuren und Quetschungen, Klauenerkrankungen, Kast-
Milchsäure zu Buttersäure und anderen qua- ration, Enthornen und Geburt eine wichtige
litätsmindernden Stoffen vergoren und min- Rolle, aber auch der Weg über die Futterauf-
dern so den Futterwert und die Qualität der nahme. Im Falle von Botulismus ist sogar die
Silage. Die Buttersäure wirkt dabei weniger Inhalation ein Eintrittspfad.
pH-absenkend als die eigentlich erwünschte
prozesstypische Milchsäure. Der konservie- Bei allen Unterschieden im Detail lassen sich
rende Effekt in Gärfuttermitteln geht damit bei den Krankheitsbildern auch viele Ge-
verloren. Dies kann so weit gehen, dass sogar meinsamkeiten finden, etwa die Kennzeichen
ein Wachstum von aeroben Bakterien, Hefen einer typischen Faktorenkrankheit. Der Erre-
und Schimmelpilzen einsetzt. Deren Tätig- ger ist oft lange Zeit im Darm/Körper gesun-
keit, nämlich der Abbau von Nährstoffen und der Tiere vorhanden. Zum Krankheitsaus-
die Bildung von Toxinen, verstärkt den Ver- bruch führen meist erst Stressfaktoren wie
derbnis-Prozess weiter. Proteolytische Clost- andere Erreger, Futterwechsel, Transporte,
ridien senken den Proteingehalt des Gärfut- Umstallungen, Absetzen, Kalbung, Laktati-
ters und neutralisieren durch Ammoniakbil- on, etc. Die Erkrankung ist dann oft so rasant,
dung die Gärsäuren. Dadurch tritt eine Verar- dass eine Behandlung meist zu spät kommt
mung essentieller Aminosäuren wie und – sofern ansteckend - hohe Verluste im
Tryptophan ein und es entstehen Fäulnisstof- Bestand auftreten. Ein Erreger- oder Toxin-
fe wie Cadaverin und Putrescin, die auch un- nachweis bei einer anschließenden Sektion ist
ter dem Begriff „Leichengifte“ bekannt sind. oft schwierig, weil die Verwesung und Besied-
lung mit anderen Mikroorganismen rasch vo-
Um diese Prozesse aufzudecken sind neben ranschreitet. Vorbeugend gibt es bei Nutztie-
der reinen Clostridien-Analytik auch weitere ren meist einen Impfschutz gegen einige Er-
begleitende Untersuchungen mit anderen reger, der teilweise auch von Muttertieren
Qualitätsparametern wie dem pH-Wert, der über das Kolostrum auf die Jungtiere über-
aeroben Gesamtkeimzahl von Bakterien und tragen wird. Typische Clostridien-Erkrankun-
Pilzen, dem Gärsäuremuster und organolep- gen, die maßgeblich über die Futteraufnahme
tische Befunde sinnvoll. In einer Untersu- verursacht werden, sind der Raschbrand bei
chungseinrichtung wie dem LTZ Augusten- Rindern (Clostridium chauvoei), die Bazilläre
berg münden diese Erkenntnisse in einen Hämoglobinurie bei Rindern (C. haemolyti-
Prüfbericht, der für den Kunden entspre- cum), der Labmagenpararauschbrand bei
chende Aussagen zur Futtermitteltauglichkeit Schafen (C. septicum), Enterotoxämien bei di-
liefert, etwa ob die handelsübliche Reinheit versen Nutztieren (C. perfringens), die Ulzerati-
und Unverdorbenheit nach Art. 4 Abs. 2 der ve Enterititis bei Hühnern und Puten (C. coli-
Verordnung (EG) Nr. 767/2009 noch gege- num), die Nekrotisierende Hepatitis (Deut-
Dr. Wolfgang Wagner ben ist. Legt man Studien des Verbands deut- sche Bradsot, Black Disease) bei Schafen u. a.
LTZ Augustenberg scher landwirtschaftlicher Untersuchungs- Wiederkäuern, Pferden, Schweinen (C. novyi),
Tel. 0721/ 9468-194 und Forschungsanstalten (VDLUFA) zu- der Botulismus (C. botulinum), sowie in selte-
Wolfgang.wagner@ltz. grunde, sind bei Maissilagen Keimgehalte ab nen Fällen auch Tetanus (C. tetani).
bwl.de 200 KBE/g kritisch, bei Grassilagen ab 500
40 Landinfo 5 | 2017