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Tierzucht aktuell - Anpassung an die Herausforderungen





       de Infrastruktur zur Erfassung von Gesund-  Tab.: 3: Übersicht über die Einzelmerkmale und Merkmalskomplexe in der
       heitsdaten nach einheitlichem Schlüssel um-  Zuchtwertschätzung für direkte Gesundheitsmerkmale
       gesetzt. Die verschiedensten Einzelmerkmale
       werden in die vier Merkmalskomplexe Euter,
       Klaue, Fruchtbarkeit und Stoffwechselstabili-
       tät zusammengefasst. Aufgrund der sehr ho-
       hen Merkmalsqualität, allein in Baden-Würt-
       temberg erfassen 1.433 LKV-Betriebe regel-
       mäßig verwertbare Daten, wird diese Infor-
       mation zur Verbesserung des Herden-
       managements, aber auch als Grundlage für
       Zuchtwertschätzverfahren verwendet. Bei
       Erblichkeiten von 3-12 % kann zudem erwar-
       tet werden, dass diese Merkmale künftig ge-
       zielt bearbeitet werden können, zumal wie das
       Beispiel DDControl zeigt, für einzelne Merk-
       male sehr hohe Erblichkeiten möglich sind,
       da direkte genetische Beziehungen aufge-  Quelle: Rensing, 2022
       deckt werden konnten. Für die Rasse Hol-
       steins wurde aus diesem Grund der Zucht-  systematischen Bullennachkommenprüfung
       wert RZGesund entwickelt, der entsprechend   durchsetzen. Dabei wurden gezielt in der
       der Zusammensetzung aus Tabelle 3 die un-  Breite eine ausreichende Zahl von Töchtern
       terschiedlichsten  Merkmale,  wirtschaftlich   produziert, um deren genetische Überlegen-
       optimal gewichtet in den vier oben genannten   heit zu kalkulieren. Hierfür waren sehr große
       Komplexen und schließlich zum Gesund-    Aufwendungen zur Wartebullenhaltung so-
       heitszuchtwert zusammenführt, der mit 18 %   wie eine ausgefeilte Distribution von Testbul-
       in den Gesamtzuchtwert der Rasse Holsteins   lensperma erforderlich, um gelenkte Testein-
       eingeht. Entsprechende Zuchtwerte für Ein-  sätze zu vermeiden. Mit der Umsetzung der
       zelmerkmale sind auch für die Rassen Fleck-  genomischen Selektion konnte der Zucht-
       vieh und Brown Swiss bereits verfügbar und   fortschritt aufgrund von zwei wesentlichen
       bilden die Grundlage für eine gesundheitsori-  Stellschrauben erhöht werden (siehe Abb. 2).
       entierte Selektion in der Rinderzucht.
                                                Ein wesentlicher Faktor war es, da man be-
       Die stetige Erarbeitung von neuen Phänoty-  reits beim Kalb ausreichend sichere Zucht-
       pen und die damit in Verbindung stehenden   werte schätzen kann, zum einen die Selekti-  Abb. 1: Zusammensetzung
       Genotypen führte zu einer stetigen Anpas-  onsschärfe auf Populationsebene zu erhöhen   des Gesamtzuchtwertes der
       sung der Gesamtzuchtwertsausrichtung. Wie   und zum anderen das Generationsintervall   Rasse Holsteins
       der Gesamtzuchtwert Holsteins zeigt, werden
       mit den neuen Merkmalen Instrumente ent-
       wickelt, die eine Nachschärfung der züchteri-
       schen Ausrichtung ermöglicht. So konnte mit
       der Entwicklung des RZGesund ein weiterer
       Baustein in die Gesamtzuchtwertskalkulation
       berücksichtigt werden (Abb. 1).



         Genomische Selektion als
         Impulsgeber

       Mit dem Start der ersten genomischen Typi-
       sierungsprojekte in den Jahren 2005 und 2007
       konnte eine wesentliche Beschleunigung der
       Zuchtprogramme erfolgen. Nach der Einfüh-
       rung und Etablierung der künstlichen Besa-
       mung in den 1950er Jahren, zuerst als Instru-
       ment der Seuchenbekämpfung, konnte sich
       diese in den 1970er Jahren als Instrument der   Quelle: BRS, 2023



       Landinfo 2 | 2023                                                                                      9
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