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Tierzucht aktuell - Anpassung an die Herausforderungen
Dr. Hans Ableiter
Rechtliche Grundlagen in der Tierzucht
Aus historischer Sicht gibt es nur wenige Sektoren unserer Volkswirtschaft, in die der Staat so stark
fördernd und zugleich steuernd eingegriffen hat, wie in dem Bereich der Tierzucht. Den Anstoß hierfür
lieferte die Mitte des 19. Jahrhunderts schnell wachsende Bevölkerung und deren Nachfrage nach
Lebensmitteln frischer Herkunft, vor allem nach Milch, Fleisch und Eier. In der Folge wurden in der
Tierzucht die erforderlichen organisatorischen staatlichen Strukturen verbunden mit einer personel-
len und finanziellen Förderung geschaffen.
m Zuge der Weiterentwicklung tierzüchteri- und des nationalen Tierzuchtrechts. Die aktu-
Ischer Methoden sowie geänderten gesell- ell rechtlichen Grundlagen der Tierzucht sind
schaftlichen und wirtschaftlichen Anforde- derzeit:
rungen wurde das deutsche Tierzuchtrecht
im Laufe der Zeit aufgrund neu geschaffener • Auf EU-Ebene:
EU-Vorgaben immer wieder aktualisiert. In Verordnung (EU) 2016/1012 des europäi-
dieser Entwicklung wurde das nationale Tier- schen Parlaments und des Rates vom 8. Ju-
zuchtrecht zunehmend liberalisiert. Der di- ni 2016 über die Tierzucht- und Abstam-
rekte staatliche Einfluss in die Zuchtarbeit mungsbestimmungen für die Zucht, den
wurde stetig verringert und der Verantwor- Handel und die Verbringung in die Union
tungsbereich der auf Grundlage des Tier- von reinrassigen Zuchttieren und Hybrid-
zuchtrechts anerkannten Zuchtorganisatio- zuchtschweinen sowie deren Zuchtmaterial
nen ausgedehnt. Die Zuchtorganisationen („Tierzuchtverordnung“)
gestalten und tragen damit vermehrt die Ver-
antwortung für die Zuchtarbeit, indem sie • Auf nationaler Ebene:
Zuchtziele formulieren und Zuchtprogram- Gesetz zur Neuregelung der Tierzucht vom
me durchführen. Dabei sind in zunehmen- 18. Januar 2019
dem Maße sowohl volkswirtschaftliche als
auch einzelbetriebliche Aspekte zu beachten. Die tierzuchtrechtlichen Regelungen gelten
Immer stärker sind gesellschaftliche Ansprü- für die Zucht der Tierarten Rind, Schwein,
che an die tierische Erzeugung und damit Schaf, Ziege und für Equiden.
auch an die Tierzucht zu berücksichtigen.
Ab Mitte der 70er Jahre wurden parallel zum Die EU-Tierzuchtverordnung
nationalen Tierschutzrecht auf europäischer
Ebene tierzuchtrechtliche Vorgaben entwi- Wie alle EU-Verordnungen gilt auch die Tier-
ckelt und erlassen. Hierbei wurde durch zuchtverordnung in allen Mitgliedsstaaten
Richtlinien des Rates und Entscheidungen unmittelbar und schafft somit eine einheitli-
der Kommission der Handel mit Zuchttieren che Basis für die züchterische Arbeit sowie
harmonisiert und liberalisiert sowie die Zulas- den Handel mit Zuchttieren und Zuchtmate-
sung von Zuchttieren zur Zucht, die Aner- rial. Die zentralen Regelungen betreffen u.a.
kennung von Zuchtorganisationen oder der folgende Bereiche:
innergemeinschaftliche Handel mit Zuchttie-
ren oder Zuchtmaterial (Samen, Embryonen, • Anerkennung von Zuchtverbänden und
Eizellen) neu geregelt. Zuchtunternehmen
• Genehmigung von Zuchtprogrammen
Mit zunehmendem Einfluss der EU in die • Eintragung von Zuchttieren in Zuchtbü-
Ausgestaltung des gemeinsamen Marktes er- cher und Zuchtregister
folgte konsequenterweise in den Jahren 2016 • Leistungsprüfung und Zuchtwertschätzung
bis 2019 die Neugestaltung des europäischen • Tierzuchtbescheinigungen
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