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Dr. Thomas A. Schmidt


       Fleischrinderzucht im „Ländle“ – ganz im Sinne der

       Verbraucher



       Die Form der Fleischproduktion steht vermehrt im Fokus des gesellschaftlichen Interesses. Gewünscht
       wird eine regionale, naturnahe und tierfreundliche Haltung, die möglichst nicht in Konkurrenz zur
       menschlichen Ernährung steht. In hervorragender Weise erfüllt die Fleischrinderzucht als Mutterkuh-
       haltung in Baden-Württemberg diese Anforderungen: Weidegang von Frühjahr bis Herbst; Nutzung
       von  Dauergrünland;  artgerechte  Herdenstruktur  mit  Bulle,  Kühen  und  ihren  Kälbern; Aufzucht  der
       Kälber an der Mutter; Offenhaltung und Erhaltung einer vielfältigen Kulturlandschaft - auch als Raum
       zur Freizeitgestaltung und für den Tourismus.




           ie Anfänge einer reinen Fleischrinder-  Doppelnutzungs-Wälderkühe importiert -   Bild 1: Die besten Jungbullen
       Dzucht in Baden-Württemberg, neben den   die staatliche Auflage: Schlachten oder Kas-  im Angebot - Süddeutsche
       traditionellen Doppelnutzungsrassen für   trieren! Die Pensionierung des zuständigen   Fleischrindertage Arena
       Milch und Fleisch, datieren auf die Zeit nach   Beamten entspannte letztlich die Lage. An-  Hohenlohe; Foto: Dieter Kraft
       dem zweiten Weltkrieg, den 1950er Jahren; als   fang der 1970er Jahre folgten die Rassen Cha-
       Kriegsgefangene lernten unsere Landwirte in   rolais, dann Limousin sowie weitere Fleisch-
       Großbritannien oder Nordamerika erstmals   rinderrassen, meist aus dem angloamerikani-
       reine Fleischrinderrassen kennen. Der Ge-  schen Raum.
       danke, im Schwarzwald neben der Waldnut-
       zung auf die beschwerliche Milchproduktion   Heute weist Baden-Württemberg eine Ge-
       mit wenig effektiver Milchsammlung auf den   samtpopulation von etwa 54.400 Mutterkü-
       kleinen, weitverstreuten Wäldervieh-Betrie-  hen in knapp 6.000 Betrieben auf. Dies zeigt
       ben zu verzichten, das reizte die Pioniere der   bei im Mittel 9,1 Kühen je Betrieb, Fleischrin-
       Fleischrinderzucht. Grünland nutzen ohne   derzucht ist überwiegend Landwirtschaft im
       Melken, das war z.B. der Gedanke von Hans   Neben- oder Zuerwerb. Typisch ist: Eltern
       Wälde in Gutach, Schwarzwaldbahn. Anfäng-  melkten noch, Kinder betreiben die Grün-
       lich auch gegen tierzuchtbehördliche Wider-  landnutzung mit Fleischrindern nach Feier-
       stände kamen die ersten Angusbullen ins   abend weiter, unterstützt von den Altentei-
       „Ländle“. Hans Wälde bekam 1961 für seinen   lern. Die folgende Generation sieht jedoch
       ersten Angusbullen - als Deckbulle für seine   oft keinen Sinn mehr darin, neben einem



       Landinfo 2 | 2023                                                                                     15
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