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Tierhaltung und Tierwohl
Daniela Schweikhart
Tierwohl-Labels:
Bild: Susanne Mezger; LEL
Was nützt dem Tier –
Was dient dem Verbraucher?
Immer mehr Verbraucher wollen Fleisch und Wurst mit einem guten Gewissen einkaufen. Beim Essen
ist ihnen auch wichtig, dass es dem Tier in seinem Leben gut ging. Auf der anderen Seite sind viele
Konsumenten an der Kasse doch nicht bereit, mehr Geld für Tierwohl auszugeben. Die mediale Be-
richterstattung und eine Reihe von aufrüttelnden Reportagen haben dazu beigetragen, dass die
Bedeutung von Tierschutz und Tierwohl für den Verbraucher anstieg. Aber auch für den Landwirt ist
das Tierwohl wichtig. Nur wenn die Tiere gesund sind, keinen Stress haben und ihr natürliches Verhal-
ten ausleben können, werden sie auch die Leistung bringen, die von ihnen gefordert wird und sich im
Geldbeutel bezahlt macht.
er Tierschutz ist im Tierschutzgesetz de- Der Pro-Kopf-Verbrauch von Fleisch ist seit
Dfiniert. Dort heißt es in § 1: „Zweck die- einigen Jahren rückläufig. 2019 betrug er
ses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des noch 59,5 Kilogramm. Steigend ist dagegen
Menschen für das Tier als Mitgeschöpf des- der Anteil von Vegetariern (etwa fünf Pro-
sen Leben und Wohlbefinden zu schützen. zent) und Veganern (etwa ein Prozent) in der
Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Bevölkerung. Einer der am häufigsten ge-
Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zu- nannten Gründe dafür liegt im ethisch-mora-
fügen.“ lischen Bereich. Laut Ernährungsreport 2020
ist die artgerechte Tierhaltung 66 Prozent der
Zur Tierhaltung heißt es im § 2: „Wer ein Tier befragten Verbraucher wichtig. 48 Prozent
hält, betreut oder zu betreuen hat, haben aus Gründen des Tierschutzes schon
einmal vegetarische Fleischersatzprodukte
1. muss das Tier seiner Art und seinen Be- gekauft. Auf die Frage „Welchen Aufpreis
dürfnissen entsprechend angemessen er- wäre Sie bereit zu zahlen für ein Kilogramm
nähren, pflegen und verhaltensgerecht Fleisch, das besonders tierfreundlich produ-
unterbringen, ziert wurde?“ haben die Verbraucher wie folgt
zugestimmt:
2. darf die Möglichkeit des Tieres zu artge-
mäßer Bewegung nicht so einschränken, • bis zu 12 Euro 14 Prozent;
dass ihm Schmerzen oder vermeidbare
Leiden oder Schäden zugefügt werden.“ • bis zu 15 Euro 45 Prozent;
Der Begriff „Tierwohl“ ist dagegen nicht • bis zu 20 Euro 22 Prozent und
rechtlich definiert und transportiert eher ein
Gefühl. Gerade bei Konsumenten, die der • mehr als 20 Euro 11 Prozent.
landwirtschaftlichen Tierhaltung nicht nahe-
stehen, könnte damit auch eine Vermischung Mitte Dezember letzten Jahres hat der Ne-
entstehen: Was benötigt ein Mensch und was ckarsulmer Discounter Lidl nach großen Pro-
benötigt ein Tier, um sich „wohl“ zu fühlen? testen der Landwirte seine Preise für zehn
Der Grat ist schmal zwischen dem Essen mit Artikel aus dem Schweinefleisch-Segment um
dem guten Gefühl und einer Personalisierung je ein Euro pro Kilogramm hochgesetzt.
des „niedlichen Tieres mit den großen Au- Doch die Verbraucher haben nicht einge-
gen“, die einen Verzehr unmöglich macht. kauft, die Preise wurden wieder gesenkt.
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