Page 19 - Landinfo Heft 3/2018 - Hochschultag - Biodiversität in der Landwirtschaft
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Landwirtschaftlicher Hochschultag 2018





       Prof. Dr. Martin Dieterich


       Produktionsintegrierte kompensation



       Nach  §13  Bundesnaturschutzgesetz  sind  bei  der  Umsetzung  von  Projekten  erhebliche  Beeinträch-
       tigungen von Natur und Landschaft zu vermeiden und nicht vermeidbare erhebliche Beeinträchtigungen
       zu kompensieren. Es besteht somit die gesetzliche Verpflichtung für Eingriffe z. B. durch Baumaßnahmen
       einen funktionalen Ausgleich in der Fläche zu schaffen (beachte in diesem Zusammenhang aber die
       Erleichterungen  im  Zusammenhang  mit  §13  b  Bundesbaugesetz).  Der  sogenannte  „Doppelte
       Flächenverbrauch“ durch den Eingriff selbst und für die dann erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen
       wird  von  Landwirtschaftsseite  seit  langem  kritisiert.  Verstärkt  wird  der  Konflikt  durch  die  akute
       Knappheit an landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland, die nicht zuletzt in steigenden Pachtpreisen,
       aber auch in einer stark negativen Flächenbilanz bei Erzeugung und Verbrauch von landwirtschaftlichen
       Produkten (Primärprodukte) zum Ausdruck kommt (Negativbilanz bei der Selbstversorgung).




           nter produktionsorientierter Kompensation   Die PIK ist geeignet, Landwirten zusätzliche Ein-
       U(PIK) ist eine Bewirtschaftung zu verstehen,   kommensmöglichkeiten in einem landwirtschafts-
       die eine naturschutzfachliche Aufwertung von   nahen Dienstleistungssektor zu eröffnen. Ent-
       Agrarflächen im Zuge landwirtschaftlicher Pro-  sprechende Dienstleistungen sind von den Vorga-
       duktion zum Ziel hat. Die für entsprechende Auf-  ben des EU Förderrechts entkoppelt (keine Noti-
       wertungen in der Regel erforderliche extensive   fizierung, Vergütung frei verhandelbar), der
       Bewirtschaftung wird aus Mitteln der Eingriffsre-  Anspruch auf Flächenprämie bleibt erhalten,
       gelung finanziert. Die Ausgleichsverpflichtungen   Monitoring und Kontrolle sind bedarfsgerecht
       für private Eingreifer und damit auch die erforder-  und damit flexibel zu gestalten.  Produktionsinte-
       liche Dauer für die Bereitstellung von Ausgleich   grierte Kompensation eignet sich prinzipiell auch
       sind nach höchstrichterlichen Urteilen auf maxi-  für die Schaffung von Ökopunkten, die dann von
       mal 25 Jahre begrenzt. Das Land Bayern weist   zwischengeschalteten Institutionen vermarktet
       zumindest der öffentlichen Hand eine besondere   (Flächenagentur, Stiftungen) oder auf Vorrat ge-
       Verantwortung bei der Kompensation dauerhafter   halten (angespart) und bei Bedarf abgerufen wer-
       Eingriffe zu und fordert in §10(3) der Bayerischen   den können (z.B. durch Gemeinden).
       Kompensationsverordnung von öffentlichen Ein-
       griffsträgern auch einen dauerhaften Ausgleich für   Den unverkennbaren Vorteilen der produktions-
       dauerhafte Eingriffe.                    integrierten Kompensation stehen Nachteile bei
                                                der Betreuung und Finanzierung von Umset-
       Aufgrund der verpflichtenden Kompensation    zungsmaßnahmen gegenüber. Entweder verbleibt
       entfallen an freiwillige Leistungen gebundene För-  im Rahmen der PIK die Kompensationsverpflich-
       dermöglichkeiten aus Agrarumweltprogrammen.   tung langfristig beim Eingreifer oder die Kompen-
       PIK-Mittel und andere Förderungen können aber   sationsverpflichtung wird an geeignete und in der
       additiv kombiniert werden, solange keine Doppel-  Regel staatliche oder halbstaatliche Einrichtungen
       förderung erfolgt (Förderung der gleichen Maß-  abgetreten (Flächenagenturen, Landschaftserhal-
       nahme aus verschiedenen Programmen). Der   tungsverbände). Die Belassung langfristiger Kom-
       Ausgleich belässt dabei die betroffenen Flächen in   pensationsverpflichtungen  beim  Eingreifer  be-
       der landwirtschaftlichen Produktion, die Zah-  dingt einen Kontrollaufwand durch Behörden, der
       lungsansprüche  aus  der  ersten  Säule  bleiben    bisher in den wenigsten Fällen wirklich geleistet
       erhalten.                                wird oder mit dem vorhandenen Personal geleistet
                                                werden kann.
       Die PIK ist ein Instrument, das im Zuge von Aus-
       gleichsmaßnahmen  schon seit vielen Jahren als   Die Übergabe von Kompensationsverpflichtun-
       möglicher Weg zur Vermeidung des doppelten   gen bedingt finanzielle und administrative Risiken
       Flächenentzuges diskutiert und umgesetzt wird.   für den Übernehmer. Die Kosten für produkti-



       Landinfo 3 | 2018                                                                                     19
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