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Prof. Dr. Stanislaus v. Korn


                                                                      Bedeutung der

                                                                      Schafhaltung in

                                                                      Baden-Württemberg




          Die Schafhaltung spielt in Baden-Württemberg in multifunktionaler Weise eine bedeutende Rolle.
          15 % der Grünlandflächen (ca. 80.000 ha) sind hier an die Schafhaltung gebunden. Vor allem die
          Schwäbische Alb und das Vorland sowie der Nordschwarzwald und die angrenzenden Gäugebiete
          sind von ihr geprägt. Nachfolgend soll die Bedeutung der Schafhaltung unter verschiedenen Aspekten
          beleuchtet werden.

          Bild 1: Auf der Sommerweide   Geschichte und Tradition bis in die   •   Blütezeit der Schafhaltung durch die hohe
          der Schwäbischen Alb;      Gegenwart                                Wertschätzung der Wolle ab der ersten
          Quelle: Stanislaus von Korn                                         Hälfte des 19. Jh., was allein im damaligen
                                   Die Schafhaltung blickt in Baden-Württem-  Württemberg zu einem Spitzenbestand von
                                   berg auf eine lange Tradition zurück, die bis   fast 600.000 Schafen führte (beinlch 1995).
                                   ins Mittelalter zurückreicht. Stets hatte sie als   Auch der Schafdung auf dem Pferchacker
                                   Woll- und Fleischerzeuger sowie Nutzer und   wurde zunehmend geschätzt.
                                   Pfleger unterschiedlichster Standorte bei der
                                   Herausbildung typischer regionaler Kultur-  •   Bedingt durch Importe billiger Wollen aus
                                   landschaften einen besonderen Stellenwert in   Übersee und dem Aufkommen der Baum-
                                   Baden-Württemberg eingenommen. Die da-     wollfaser setzte ab der 2. Hälfte des 19. Jh.
                                   mit verbundenen Traditionen kommen bei-    ein Bestandsrückgang ein. 1926 wurden in
                                   spielhaft in den seit Jahrhunderten stattfin-  Württemberg nur noch 128.000 Schafe ge-
                                   denden Schäferläufen in Markgröningen, Bad   zählt.
                                   Urach und Wildbad zum Ausdruck, die es so
                                   nur  in  Baden-Württemberg  gibt.  Aufgrund   •   Nach leichter Erholung der Schafbestände
                                   ihrer Einzigartigkeit wurden diese histori-  in den folgenden Jahrzehnten erreichte der
                                   schen Schäferläufe 2018 in das Bundesweite   Schafbestand in den 1960er Jahren aber-
                                   Verzeichnis des  Immateriellen  Kulturerbes   mals einen historischen Tiefstand, da der
                                   aufgenommen. Gleichermaßen erhielt 2020    Marktwert für Wolle völlig verfallen war.
                                   die Süddeutsche Wander- und Hüteschäferei
                                   diese besondere Auszeichnung als Immateri-  •   Allmähliche Neuausrichtung auf das Pro-
                                   elles Kulturerbe. Die Beispiele zeigen wie   duktionsziel Lammfleischerzeugung und
                                   stark das Kulturgut und die jahrhundertalte   zunehmende Wertschätzung als Land-
                                   Tradition der Schäferei heute noch gesehen   schaftspfleger insbesondere in den letzten
                                   und honoriert wird.                        30 - 40 Jahren.

                                   Doch die Schafhaltung in Baden-Württem-  Im Zuge der letzten Jahrhunderte hat sich das
                                   berg schaut, wie auch in ganz Deutschland,   Merinolandschaf in Süddeutschland als we-
                                   auf eine wechselhafte Vergangenheit zurück.   sentliche Säule der hiesigen Schafhaltung ent-
                                   Häufig haben sich die Rahmenbedingungen   wickelt. Als standortangepasste und marsch-
                                   geändert:                                fähige Rasse ist es auch heute noch in Hüte-
                                                                            betrieben dominant. Aber auch Kreuzungen
                                   •   Entstehung der Wanderschäferei im 17.   mit fleischreicheren Rassen, wie z.B. Suffolk
                                     und 18. Jh. und allmähliche Verdrängung   oder Texel, werden vermehrt durchgeführt,
                                     der Schafhaltung auf ertragsarme Standor-  um den Marktanforderungen noch besser ge-
                                     te durch die Intensivierung der Nahrungs-  recht zu werden. In Nebenerwerbsbetrieben
                                     mittelerzeugung nach dem Dreißigjährigen   ist hingegen eine große Vielfalt unterschiedli-
                                     Krieg.                                 cher Rassen anzutreffen.


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