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Reduktionsstrategie von Pflanzenschutzmitteln
müsste auch weiterhin ein gezieltes Monito-
ring an Risikostandorten stattfinden. Dies ist
jedoch nach Ablauf des Projekts nicht weiter
vorgesehen, da es sich um keinen ausgewiese-
nen Quarantäneschadorganismus handelt.
Unter dem Radar – kaum erkannte
Pflanzenläuse
Schwächen im Monitoring zeigten auch die
beiden verbliebenen Modellorganismen auf,
die stellvertretend für Arten stehen die sich
zwar in Deutschland etablieren können, sich
jedoch nur sehr langsam verbreiten. So
kommt die Rote Austernschildlaus Epidiaspis
leperii schon seit über 100 Jahren im südlichen
Oberrheingraben vor, blieb aber lange Zeit
unauffällig. Wie bei so vielen Arten war es erst
der rasch fortschreitende Klimawandel seit
ca. der Jahrtausendwende, der zu einer weit-
räumigen Verbreitung der Art führte. Mittler-
weile kann sie überall entlang des Rheins zwi-
schen Freiburg und Frankfurt in Obstplanta-
Bild 6: Adulte Baumwoll-Kapseleule; Quelle: Zimmermann LTZ gen gefunden werden. Dort führt sie bei star-
kem Befall zu einem Vergreisen oder sogar
Absterben der Bäume. Funde im Saarland,
Überwinterungsgebieten am südlichen Al- Mittleren Neckargebiet und Berlin weisen auf
penrand und aus Ungarn ein. Wo genau beide eine noch viel weiträumigere Verbreitung hin,
Arten ankommen und dann Jahrespopulatio- als bisher bekannt ist. Aufgrund ihrer ver-
nen aufbauen ist größtenteils Zufall, jedoch steckten Lebensweise unter einer Kruste aus
lassen sich über das Computermodell beson- Algen und Flechten und ihrem schützenden
ders gefährdete Standorte errechnen, wo an- Schild, wird sie höchstens von Spezialisten
fällige Wirtspflanzen und günstiges Klima entdeckt, die gezielt nach ihr suchen. So
aufeinandertreffen. Dort lässt sich dann auch konnten während der Projektlaufzeit insge-
ein fokussiertes Monitoring als Frühwarnsys- samt nur 100 Fundorte zusammengetragen
tem installieren. Im Falle der Baumwollkapse- werden.
leule ist dies z.B. Tabak im Oberrheingraben,
der von den, über die Burgundische Pforte Ähnlich stellte sich die Lage bei der Gewächs-
QR-Code zur KliWa-Talk einfliegenden Faltern regelmäßig befallen hausschmierlaus Pseudococcus viburnii (Bild 7)
Podcast-Folge über wird. Auch können so Regionen identifiziert dar, die aus Südamerika stammt und sich glo-
klimasensitive Arten in
der Landwirtschaft. werden, die in den nächsten Jahrzehnten zu bal in Ausbreitung befindet. Über Pflanzen-
potentiellen Überwinterungsgebieten werden importe kommt es immer wieder zu Ein-
könnten. schleppungen in Gewächshäusern und bota-
nische Gärten. Dort wird sie jedoch selten
Dass dieser Fall jederzeit eintreten kann, zeigt identifiziert, da Schmierläuse in der Regel di-
die Situation in Ungarn, wo der „Baumwoll- rekt mehr oder weniger erfolgreich bekämpft
kapselwurm“ (Bild 1), die Larve der Baum- werden. Eine weitere, unerkannte Verbrei-
wollkapseleule, zu einem der wichtigsten tung mit dem Pflanzenhandel ist daher wahr-
Maisschädlinge geworden ist. Auch dort kam scheinlich. Eine Etablierung im Freiland
es lange Zeit lediglich zu saisonalen Einflügen könnte zu Schäden im Obst- und Weinbau
aus dem Balkan, bis sich im Rahmen eines führen, wie es in einigen Ländern wie z.B.
Masseneinflugs 1993 eine lokale, überwinte- Südafrika der Fall ist. Dass die Art auch in
rungsfähige Population entwickelt hat und Deutschland überwinterungsfähig ist, konnte
nur 8 Jahre später waren schließlich 94 % des durch ein mehrjähriges Auftreten in einer
Landes befallen. Um solch ein Etablierungs- südwestdeutschen Stadt nachgewiesen wer-
ereignis rechtzeitig erkennen zu können, den.
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Landinfo 4/2022
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