Page 39 - Landinfo Heft 5/2019 Digitalisierung
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Pflanzen- und Tierproduktion





       •   Dass sich auf den FAKT-Flächen nicht signifikant                              Abb. 2: Häufigkeit (Abundanz)
         mehr Schwebfliegen aufhielten als auf den Ver-                                  der drei Insektengruppen
         gleichsflächen kann daran liegen, dass diese i.d.R.                             (links nach rechts) bzw.
                                                                                         jeweils ihrer häufigsten Art
         wenig ortsbezogen sind und in vielen Blütenarten                                (oben) und den weiteren
         Nahrung finden. Zudem erklärt die „Beliebtheit“                                 Insektenarten (unten) auf den
         von Schafgarbe und Wilde Möhre, die nicht in den                                verschiedenen Flächentypen,
         FAKT-Mischungen enthalten sind, aber typische                                   unterteilt in die zwei
         Grünlandarten darstellen, die vergleichsweise ho-                               Aufnahmezeitpunkte
                                                                                         Apis mellifera (Westliche
         hen Arten- und Individuenzahlen auf den Ver-                                    Honigbiene); Pieris rapae
         gleichsflächen. Andere Studien fanden jedoch ei-                                (Kleiner Kohlweißling),
         nen höheren Artenreichtum von Schwebfliegen                                     Sphaerophoria scripta
         mit zunehmender Anzahl blühender Pflanzenar-                                    (Gewöhnliche
         ten auf Blühflächen (Wagner et al., 2014).                                      Langbauchschwebfliege)


         Diskussion und Fazit


       Ziel der Brachebegrünung ist es, über den Sommer   Winterruheplätze angewiesen, die ungestört über
       ein vielfältiges und qualitativ hochwertiges Nah-  den Sommer hinaus zur Verfügung stehen. Viele In-
       rungsangebot, d.h. Pollen und Nektar, für Insekten   sekten verharren beispielsweise bis zu 12 Monate als
       zu gewährleisten. Viele Untersuchungen zeigen eine   Dauerstadien. Durch eine Bodenbearbeitung im
       höhere Arten- und Individuenzahl verschiedener In-  Herbst kann sich ein Blühstreifen sogar als „Brutfal-
       sektengruppen auf Blühflächen im Vergleich zu   le“ erweisen, da sich Eier, Raupen und Puppen z.B.
       Ackerflächen aber auch  im  Vergleich  zu  anderen   von Tagfaltern in die Fläche befinden und dann un-
       Brachflächen oder -streifen (z.B. Feber et al. 1996;   tergepflügt werden können.
       Haaland et al. 2011; Sparks und Parish 1995). Dabei
       beeinflussen Lage und Management (z.B. Größe, Ein-   Einjährige Blühmischungen zielen daher vor allem
       oder Mehrjährigkeit, Mahdregime, verwendete Saat-  auf eine Bestandsförderung durch die Erhöhung des
       gutmischungen) den Wert von Blühflächen für die   Nahrungsangebotes für außerhalb der Blühmischung
       Biodiversität.                           lebende Insekten ab. Über- oder mehrjährige, struk-
                                                turreiche Blühstreifen mit höher wachsenden Pflan-
       Die hier beschriebene Untersuchung weist ebenfalls   zen hingegen können die Ansprüche für eine Über-
       darauf hin, dass einjährige Blühmischungen bei sorg-  winterung besser erfüllen. In mehrjährigen Bestän-
       fältiger Auswahl der Saatmischung (Früh- und Spät-  den bildet sich zudem eine höhere Arten- und Struk-
       blüher) die Nahrungsquellen für bestäubende Insek-  turvielfalt aus (vgl. z.B. Kronenbitter und Oppermann
       ten in der Landwirtschaft erhöhen. Die Unterschiede   2013, Tschumi et al. 2015). Blühende Pflanzen stellen
       zwischen den FAKT-Mischungen M1 und M2 fielen   bei dieser Variante außerdem schon im Frühjahr
       dabei eher gering aus.  Die gewählten Vergleichsflä-  Nahrung bereit (Kronenbitter und Oppermann
       chen waren die einzigen in der Umgebung gefunde-  2013). Von der seit dem Jahr 2019 in Baden-Württem-
       nen Offenlandbereiche, die nicht als Ackerkulturen   berg geförderten FAKT-Maßnahme E7 (Blüh-, Brut-
       bewirtschaftet wurden. Somit ist davon auszugehen,   und Rückzugsflächen), in der Teilflächen im Wechsel
       dass die untersuchten FAKT-Flächen einen Großteil   nur alle zwei Jahre neu angesät werden, kann daher
       des Blütenangebotes für die in der Umgebung vor-  eine verbesserte Eignung auch als Insektenhabitat
       kommenden Blütenbesucher geboten haben.   erwartet werden. Mehrjährige Strukturen leisten als
                                                Nisthabitate und Refugien einen essenziellen Beitrag
       Die einjährigen Mischungen sind jedoch nur für ei-  zum Erhalt von Insektenpopulationen.
       nen begrenzten Zeitraum vorhanden. Bei einer Ein-                                 Dipl. Geoökol. Heike Nitsch
       saat Ende April bis Mitte Mai kann man zwar von   Die Studie zeigt, dass in Agrarlandschaften vorkom-  IFLS Frankfurt/Main
       einem Angebot von blühenden Pflanzen ab Juni   mende Insekten das FAKT-Blütenangebot nutzen.   Tel.: 069 / 97 266 83 - 13
       ausgehen, vorher stellt die Maßnahme jedoch keine   Ob sich diese erhöhte Ressourcenverfügbarkeit in   nitsch@ifls.de
       Nahrungsgrundlage bereit. Alle im Frühjahr vorkom-  den Insektenpopulationen, welche außerhalb dieser   Dr. Alice Claßen
       menden und auf blühende Pflanzen angewiesene   Flächen nisten und überwintern müssen, positiv nie-  Julius-Maximilians-
       Insekten müssen sich auf das Vorhandensein anderer   derschlägt, bleibt allerdings offen. Anzunehmen ist,   Universität
       blütenreicher Flächen verlassen, z.B. extensiv bewirt-  dass eine Habitatdiversität auf Landschaftsebene, in   Würzburg
       schaftetes Grünland. Allerdings sind Tagfalter, aber   der einjährige Blühflächen dauerhafte naturnahe Flä-  Dr. Felix Fornoff
       auch Wildbienen und Schwebfliegen auch auf Eiab-  chen und Strukturen ergänzen, benötigt wird um,   Albert-Ludwigs-Universität
       lageplätze, Entwicklungshabitate für Puppen und   Insektenpopulationen dauerhaft zu erhalten.    Freiburg



       Landinfo 5 | 2019                                                                                     39
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