Page 63 - Landinfo Heft 4/2018 Schwerpunkt Gemüse
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Beratung und Bildung





       sich immer rascher entwickelnden Innovatio-  arbeiten. Das besichtigte Weingut bewirt-
       nen und Trends austauschen und auf dem   schaftet rund 65 ha Eigenfläche. Trotz der
       aktuellen Wissensstand halten.           niedrigen Kosten von rund 3.000 € pro ha für
                                                den Flächenerwerb ist vor dem Hintergrund
       Auf der IALB und EUFRAS Konferenz fand   der Preise von 0,60-0,80 Cent pro Liter Wein
       genau dieser gemeinsame Austausch über   – vermarktet im Tankzug nach Italien – kein
       Trends und daraus resultierende Herausfor-  nachhaltiger Gewinn zu erzielen. Im Inland
       derungen für die landwirtschaftliche Bera-  ist der Markt für ein zahlungskräftiges Publi-
       tung in Form von fachlichen Vorträgen und   kum gering. Österreichische Verbraucher set-
       interaktiven Workshops statt. Am konkreten   zen auf österreichischen Wein und in
       Beispiel Ungarns hatten die Konferenz-Teil-  Deutschland ist der internationale Markt be-
       nehmenden die Möglichkeit, während der   reits besetzt.
       verschiedenen  Fachexkursionen  das  Thema
       zu vertiefen und nach Lösungsansätzen zu
       suchen.                                  Beispiel 2: Sozialer Wandel am Beispiel der
                                                Dunasziget Gemüsegemeinschaft
                                                Nicht nur der technologische Fortschritt,
         Ungarns Agrarsektor im Wandel          sondern auch der gesellschaftliche Wandel
                                                führt zu veränderten Strukturen auf dem Be-
       Technologische und soziale Innovationen ha-  trieb. Die Familien werden kleiner und somit
       ben auch in Ungarn Auswirkungen auf den   sinkt auch die Anzahl der Familienarbeits-
       Alltag von Landwirten. Berater werden als   kräfte. Außerdem führt die veränderte Kom-
       Vermittler zwischen neuen Technologien und   munikation über elektronische Medien dazu,
       traditioneller Landwirtschaft gesehen. Die   dass die Gesellschaft steigende Anforderun-
       Beratung kann hier Landwirte bei der Ent-  gen an die landwirtschaftlichen Betriebe stellt,
       scheidungsfindung und dem Wissenstransfer   z.B. transparente Produktion, Umweltschutz
       unterstützen. Das Beispiel Ungarn zeigt, dass   und Tierwohl.
       Landwirte, die wenig Zugang und Vertrauen
       in die Fachberatung haben, Freunde und Be-  Wie gehen Betriebe mit dem aktuellen Verän-
       kannte als Berater bevorzugen. Diese Hürde   derungskurs um? Bei der Exkursion zur Du-
       gilt es zu überwinden bzw. direkt daran    nasziget Gemüsegemeinschaft erfuhren die
       anzuknüpfen.                             Tagungsteilnehmenden, wie ein junges Gärt-
                                                nerehepaar mit einem innovativen Konzept
                                                auf   das  wachsende  Bewusstsein  der
       Beispiel 1: Struktureller Wandel am Beispiel   Verbraucher*innen reagiert. Nach dem Kon-
       eines familiengeführten Weinbaubetriebs  zept der solidarischen Landwirtschaft (SoLa-
       Fach- und Hilfskräftemangel ist in Ungarns   Wi – siehe auch www.solidarische-landwirt-
       Landwirtschaft, Wein- und Gartenbau ein   schaft.org) werden in Dunasziget ca.
       großes Thema. Die zunehmende Technisie-  40 Kund*innen zu Teilhaber*innen einer Ge-
       rung, Spezialisierung, die komplexeren  recht-  müsegemeinschaft. Die Lebensmittel werden
       lichen und politischen Rahmenbedingungen    nicht über den Markt vertrieben, sondern
       sowie das Wachstum  der Betriebe münden in   fließen in einem geschlossenen Wirtschafts-
       höhere Anforderugen an die fachliche Quali-  kreislauf, der gemeinsam organisiert und fi-
       fikation der Fremdarbeitskräfte.         nanziert wird. In Dunasziget binden die Be-
                                                triebsleiter die Teilhaber*innen je nach
       Deutlich wurden die Auswirkungen des Ar-  Wunsch in die Planung, den Anbau, die Pfle-
       beitskräftemangels auf einer Fachexkursion   ge und die Ernte mit ein. Das Risiko von Min-
       zu einem familiengeführten Weinbaubetrieb   dererträgen und Ernteausfällen wird gemein-
       in der Gegend von Györ. Dort wurden Her-  sam getragen. Bei den Teilhaber*innen kom-
       ausforderungen der ungarischen Landwirt-  men das Konzept und die Produkte aus dem
       schaft diskutiert, die nicht nur im Weinbau   biologisch-dynamisch wirtschaftenden Ge-
       relevant sind. Im westlichen Teil Ungarns   müsebaubetrieb gut an. Allerdings erfordert
       sorgt die Industrie für deutlich attraktivere   diese Betriebsform, neben pflanzenbaulichen
       Arbeitsbedingungen. Das Lohnniveau für   und betriebswirtschaftlichen Kenntnissen,
       Hilfskräfte im Weinbau liegt bei etwa 2,50 €   ein gutes Gespür und vor allem Zeit für pro-
       pro Stunde. Zu diesem Lohn sind osteuropä-  aktive  Kundenkommunikation  und  spezifi-
       ische Arbeitskräfte nicht bereit, in Ungarn zu   sche Informationsformate (z.B. saisonale Re-



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