Page 35 - Landinfo Heft 2/2018 Schwerpunkt 150 Jahre Weinsberg
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Pflanzen- und Tierproduktion
René Roux
Kein Kinderspiel - Haltung
von Legehennen mit nicht
kupierten Schnäbeln
Aufgrund einer freiwilligen Vereinbarung zwischen dem
Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V.
(ZDG) und dem BMEL werden seit August 2016 bei
Legehennenküken keine routinemäßigen Schnabelbehandlungen mehr durchgeführt. Seit Anfang
2017 werden demzufolge nur noch Junghennen mit unbehandeltem Schnabel an die Legehennenhalter
ausgeliefert. Ob es aufgrund dessen zu neuen Herausforderungen kommt und wie die Legehennen
haltenden Betriebe darauf am besten reagieren, wurde jetzt im vom MLR initiierten und finanzierten
Beratungsprojekt „Haltung unkupierter Legehennen“ untersucht.
ederpicken und Kannibalismus sind Phä- ßen aber rund 1 kg mehr Futter und hatten Bild 1
Fnomene, die jeder Legehennenhalter kennt 5 % höhere Verlustraten. Dies zeigt, dass es Kupierte und unkupierte
und die nicht nur als störende Untugenden im allein aus betriebswirtschaftlicher Sicht für Legehennen im Vergleich
(Foto: van der Linde, LWK NRW).
Bestand unerwünscht sind, sondern auch die Legehennenhalter in Zukunft schwieriger
wirtschaftliche Probleme nach sich ziehen. werden wird. Außerdem muss sich das Ma-
Um diese Verhaltensanormalien zu reduzie- nagement bei der Haltung unkupierter Tiere
ren, wurden seit vielen Jahren bei den Lege- ändern. Die Bestandesgröße hat primär keine
hennenküken die Schnäbel kupiert. Kupiert Auswirkungen auf die Häufigkeit des Auftre-
bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die tens von Federpicken und Kannibalismus –
Schnäbel bereits einen Tag nach dem Schlüp- die Aussage, dass Federpicken und Kanniba-
fen mit einem Infrarotverfahren behandelt lismus eher in den sogenannten „Massentier-
werden. Durch den Lichtbogen stirbt ein Teil haltungen“ auftritt, kann also getrost ins
der Schnabelspitze durch Verbrennung ab Reich der Fabeln verwiesen werden!
und die Tiere verlieren diesen nach einigen
Tagen und leben fortan mit kürzeren, stump-
feren Oberschnäbeln. Es war schon immer Das Beratungsprojekt
strittig, ob dieses Verfahren bei den Tieren
Schmerzen verursacht und damit Tierquälerei Um den baden-württembergischen Legehen-
ist. Untersuchungen haben zwar ergeben, nenbetrieben eine Hilfestellung bei der Um-
dass die Tiere keine akuten Schmerzen emp- stellung auf schnabelintakte Herden zu ge-
finden. Da in der Schnabelspitze aber viele ben, wurde durch das MLR das Beratungs-
Nervenenden zusammen laufen, hat sich das projekt „Haltung unkupierter Legehennen“
BMEL dennoch aus Tierschutzgründen zum initiiert und finanziert, das eine Projektlauf-
Ausstieg aus dieser Maßnahme entschlossen. zeit von 01.08.2016 - 28.02.2018 hatte und
dessen Kernteam zum Ende aus dem Projekt-
leiter René Roux (seit August 2017) und dem
Auswirkungen des Kupierverzichts Berater Christian Weik (seit Januar 2017) be-
stand. Das Projekt wurde zunächst an die
An einer Studie am Lehr-, Versuchs- und AgriBW vergeben und kam zum Januar 2017
Fachzentrum für Geflügelhaltung im unter- zur Landsiedlung BW GmbH. Im Rahmen
fränkischen Kitzingen wurden unkupierte des Projekts konnten Legehennen haltende
und kupierte Herden verglichen – bei glei- Betriebe in Baden-Württemberg eine Vor-
chem Management. Die unkupierten legten Ort-Beratung mit Stallrundgang und an-
dabei 13 Eier je Anfangshenne weniger, fra- schließender Stärken-Schwächen-Analyse
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