Page 11 - Landinfo Heft 3/2018 - Hochschultag - Biodiversität in der Landwirtschaft
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Landwirtschaftlicher Hochschultag 2018
Prof. Dr. Martin Hasselmann
Insektenpopulationen und ihre Dynamik in
kulturlandschaften
nsekten haben eine enorme Bedeutung in unse- tenarten wie z.B. Käfer oder zahlreiche Wildbie-
Irem Ökosystem, besonders in der Bestäubung nen nur an ausgewählten, wenigen Pflanzen leben
von Nutz-und Wildpflanzen. Die Ursachen des und Pollen sammeln können, ist die Verarmung
massiven Rückgangs an Insekten über die letzten der Pflanzenvielfalt in unserer Kulturlandschaft
Jahrzehnte sind komplex, als entscheidender Fak- ein negativer Faktor. Wildbienenarten, die im zei-
tor wird dabei die Zerstörung ihrer Lebensräume tigen Frühjahr innerhalb weniger Wochen darauf
gesehen. Durch Habitatfragmentierung, Nah- angewiesen sind, entsprechende Nahrung zu sam-
rungsarmut und Eintrag von Umweltgiften sind meln und die Nester für die nächste Generation
Insektenpopulationen im besonderen Maße ge- anzulegen, werden durch den Mangel an Pflan-
fährdet und der Rückgang kann in einigen Insek- zenvielfalt, der durch frühe und häufige Mahd auf
tengruppen durch ihre Fortpflanzungsbiologie Wiesenflächen noch verstärkt wird, besonders
noch verstärkt werden. getroffen.
Insekten repräsentieren die artenreichste Gruppe Des Weiteren bewirkt der dauerhafte Eintrag von
aller bekannten Organismen weltweit mit über Umweltgiften wie z.B. Biozide, Antibiotika oder
1 Million beschriebenen Arten. Innerhalb der In- Hormone in Gewässer und Böden eine generati-
sekten stellen die Käfer, Schmetterlinge, Haut- onsübergreifende Schädigung der Insekten. So
flügler (Bienen, Wespen, Ameisen) sowie die zeigen z.B. hochwirksame Pflanzenschutzmittel
Zweiflügler (Fliegen und Mücken) die vier größ- aus der Gruppe der Neonikotinoide eine Hem-
ten Gruppen dar. In unserem Ökosystem erfüllen mung der Spermienaktivität bei männlichen Ho-
Insekten wichtige Leistungen: Über 70% der nigbienen. In anderen Insektengruppen konnte
Nutzpflanzenarten und 88% aller Wildpflanzen- dieser Effekt noch nicht untersucht werden, es ist
arten werden durch Insekten bestäubt. Dadurch aber von einer ähnlichen Wirkung auszugehen.
sind sie zum einen unmittelbar entscheidend für
unsere Ernährungssicherung, zum anderen tragen Die Zerschneidung und die damit einhergehende
sie zum Erhalt der pflanzlichen Biodiversität bei. Fragmentierung unserer Landschaft beeinflusst
Darüber hinaus bilden die Insekten durch ihre ganz direkt die so wichtige genetische Vielfalt in-
Biomasse für z.B. Vögel und Amphibien die wich- nerhalb der Population einer Art. Eine Verringe-
tigste, und für viele dieser Arten überhaupt die rung der Populationsgröße von einer ursprünglich
einzige, Nahrungsgrundlage. Aber auch ihre Rolle großen und zusammenhängenden Population in
als wichtige Destruenten, der Zersetzung von to- zwei oder mehrere voneinander getrennte durch
tem organischem Material, gilt es zu erwähnen - z.B. Straßenbau oder Flächenversiegelung verrin-
ohne diese Funktion würden sich z.B. im Wald gert die genetische Vielfalt. Diese reduzierte gene-
große Mengen von Laub oder auch Tierkadaver tische Vielfalt erhöht die Wahrscheinlichkeit von
ansammeln. Inzucht zwischen den verbleibenden Individuen.
Die Folgen von Inzucht ist eine Verringerung der
Der massive Rückgang der Insekten von fast 80% Fitness, die sich unmittelbar in der nächsten Ge-
im Verlaufe der letzten Jahrzehnte wurde im neration verstärken kann. So hat die gut unter-
Herbst 2017 durch eine wissenschaftliche Veröf- suchte, genetische Grundlage der Fortpflanzung
fentlichung in die breite Öffentlichkeit gebracht bei Hautflüglern zur Folge, dass durch Inzucht ein
und ist, nicht erst seit diesem Zeitpunkt, verstärkt Teil der Nachkommen (diploide Männchen) steril
auch in der Diskussion in Bezug auf die Ursachen- sind oder überhaupt nicht überleben. Das bedeu-
forschung. Es besteht Einigkeit darüber, dass die tet unmittelbar ein Rückgang der Populationsgrö-
seit dem Ende des zweiten Weltkriegs kontinuier- ße in der nächsten Generation, welcher sich durch
liche negative Beeinflussung der Lebensräume den erneuten Inzuchteffekt weiter verstärkt (dip-
von Insekten durch den Menschen durch mehrere loid male vortex) und zum Zusammenbrechen der
Faktoren zu diesem dramatischen Rückgang ge- ganzen Population innerhalb weniger Generatio-
führt hat. Aufgrund der Tatsache, dass viele Insek- nen führen kann. Nur durch ausreichende geneti-
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