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Aus den Landesanstalten





       sen dem Jagd- und Wildtiermanagementgesetz                                        Abb 1: Vorkommen der Gämse als
       und damit insbesondere dem Wildtiermonito-                                        Standwild, Wechselwild (jedes
                                                                                         Jahr) und sporadisches Auftreten
       ring (§ 5 JWMG). Des Weiteren ist die Gämse                                       (nicht jedes Jahr) nach der
       im Anhang V der Fauna-Flora-Habitat (FFH)                                         flächendeckenden Erfassung in
       Richtlinie gelistet und fordert die Sicherstellung                                den Jagdjahren 2018/2019.
       eines günstigen Erhaltungszustands, welcher
       systematisch und regelmäßig überwacht werden
       muss (Artikel 11).

       Gemäß des aktuellen nationalen FFH-Berichts
       (2019) besteht ein günstiger Erhaltungszustand
       der Gämse für die alpine Region (Schwäbisch-
       oberbayerische Voralpen und nördliche Kalkal-
       pen). Angaben zu den Gamsbeständen der kon-
       tinentalen Region sind weitgehend unbekannt.
       Im FFH-Bericht wurden die baden-württember-
       gischen Gämsenbestände bisher als „marginal“
       eingestuft, da einzig das Vorkommen auf der
       Adelegg als möglicherweise autochthon (einhei-
       misch) gewertet wird. Dieses Vorkommen ist
       der alpinen Region (Bayern) zugeordnet und für
       Baden-Württemberg ist kein eigener Erhal-
       tungszustand festgelegt.

       Seit 2020 wird die Gämse erstmals auf der Vor-
       warnliste der Roten Liste der Säugetiere
       Deutschlands geführt. Im Moment existieren   ge, Flusstäler) können Wanderbewegungen för-
       wenige belastbare Informationen zu den Gams-  dern oder behindern.
       wildbeständen in Baden-Württemberg. Nur die
       aktuellen Jagdstrecken und der Wildtierbericht   Auf Basis von genetischen Informationen will
       Baden-Württemberg bieten einen groben Über-  die Wildforschungsstelle des Landes Baden-
       blick.                                   Württemberg wesentliche Grundlagen zum
                                                Vorkommen der Gämse in Baden-Württemberg
                                                erhalten. Dazu zählen die genetische Struktur-
         Gamswild-Genetikprojekt der Wild-      verteilung der Gämsen und deren Vernetzung
         forschungsstelle                       auf Bundesebene sowie die Identifikation von
                                                landschaftlichen Barrieren und Wanderrouten.
       Im Rahmen eines populationsgenetischen Pro-  Für die genetischen Untersuchungen benötigt
       jekts untersucht die Wildforschungsstelle des   die Wildforschungsstelle Gewebeproben aus
       Landes Baden-Württemberg seit 2019 die ver-  allen baden-württembergischen Gamsvorkom-
       wandtschaftlichen Verhältnisse der Gämse und   men. Durch den Einsatz von Markergenen (kur-
       deren geografische Verbreitung in Baden-Würt-  ze, identifizierbare DNA-Sequenzen) können
       temberg durch die genetische Analyse von   genetische Fingerabdrücke erstellt werden. Die
       Gamsgewebeproben. Die Populationsgenetik ist   Gewebeproben werden durch die Unterstüt-
       ein Forschungszweig der Genetik, der sich mit   zung von unterschiedlichen Akteuren wie Forst-
       Vererbungsvorgängen von Fortpflanzungsge-  ämtern und Jäger*Innen bezogen. Zeitliche
       meinschaften befasst. Sie untersucht vor allem   Schwerpunkte der Probensammlung bilden die
       die Häufigkeit von Genfrequenzen definierter   gesetzlich geregelten Jagdzeiten. Auch Fallwild
       Population.                              (Verkehrsunfall, Luchsriss) eignet sich als Pro-
                                                benmaterial. Für die Probenahme werden den   Saskia Friedrich
       Das Paarungssystem, die individuelle Konditi-  Teilnehmern standardisierte Sets kostenfrei zur   LAZBW
       on, Inzucht oder natürliche Selektion können   Verfügung gestellt, welche bei der WFS angefor-  Wildforschungsstelle
       die genetische Struktur beeinflussen. Besonders   dert werden können.             (WFS)
       der Genfluss (Weitergabe von Genen einer Po-                                      Baden-Württemberg
       pulation in eine andere Population) besitzt gro-  Ziel ist es, bis zum Jahr 2023 Aussagen zur Ver-  Tel.: 07525 / 942 - 490
       ßen Einfluss auf die geografische Strukturvertei-  netzung der Gamsvorkommen in Baden-Würt-  saskia.friedrich@lazbw.
       lung. Landschaftselemente (Straßen, Gebirgszü-  temberg treffen zu können.       bwl.de



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