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Betrieb und Markt





       Dr. Holger Flaig


       Kohlenstoffsequestrierung und

       Humuszertifikate



       Ausgehend vom Pariser Klimaabkommen 2015 sind mittler-
       weile eine ganze Anzahl von Initiativen entstanden, die zum
       Ziel haben, den Gehalt an organischem Kohlenstoff (Corg)
       im Boden gezielt zu erhöhen, möglichst lange dort festzule-
       gen und damit das einmal assimilierte CO  der Atmosphäre
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       möglichst lange zu entziehen. Humusmehrung wird damit
       zur Klimaschutzmaßnahme und der Humus erhält zu seinen
       sonstigen positiven Wirkungen auf die physikalischen, che-
       mischen und biologischen Eigenschaften des Bodens eine
       weitere zugesprochen: Er wird zum Hoffnungsträger im Kli-
       mawandel – auch dafür, neue Einkommensquellen für die
       Landwirtschaft aus Humuszertifikaten zu generieren.



         Wie weit trägt diese Hoffnung? Dazu    Vergleich  dazu  durch  Bewirtschaftung  nur   Bild 1: Unterschiedliche
         sollte man zwei Punkte beachten:       begrenzt gesteigert werden (Kolbe und Zim-  Humusgehalte im Oberboden;
                                                mer 2015). Ist der Humusgehalt bereits hoch,   Quelle: Meike Löhr
       1.   Wenn  CO -Kohlenstoff im Boden se-  ist das Steigerungspotential geringer, z.B. im
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          questriert werden soll, dann geht es um   Grünland. Dennoch kann der Landwirt etwas
          langfristige Festlegung. Das Potential dau-  für die Humusversorgung seiner Böden tun,
          erhafter Humusanreicherung ist aber be-  vor allem auf Ackerflächen. Dort lässt sich
          grenzt: Humus kann an einem Standort   über folgende Bewirtschaftungsstrategien ge-
          nicht beliebig hoch und beliebig lange an-  zielt Humus aufbauen (VDLUFA 2014, Wies-
          gereichert werden.                    meier et al. 2017):

       2.   Die  Zertifizierung  der  Kohlenstoffse-  •  Anbau einjähriger oder mehrjähriger Fut-
          questrierung über Humusanreicherung ist   terleguminosen (Kleegras, Luzerne u.ä.)
          mit einigen Fallstricken behaftet. Für die   •  Anbau von Körnerleguminosen
          Landwirtschaft ist die Vergütung ihrer auf   •  Anbau wurzelstarker Sorten
          Humusmehrung ausgerichteten Anstren-  •  Anbau von Zwischenfrüchten
          gungen keineswegs ein Selbstläufer.   •  Untersaaten und Mischkulturen
                                                •  Belassen der Erntereste auf dem Feld
                                                •  Verwendung  organischer  Dünger  (Gülle,
         Das Potential dauerhafter Humusan-       Mist, Kompost, Gärreste)
         reicherung                             •  Ökologischer Landbau
                                                •  Weite Fruchtfolgen
       Die Angabe von Humusgehalten beruht      •  Anlage mehrjähriger Kulturen, z.B. Dauer-
       meistens auf elementanalytischen Bestim-   kulturen, Ackergras, Energiepflanzen
       mungen des Gehalts an organischem Kohlen-  •  Umwandlung von Ackerland in Grünland
       stoff (Corg). Der Humusgehalt wird konven-
       tionsgemäß aus dem gemessenen Gehalt an   Reduzierte Bodenbearbeitung ist eine wichti-
       Corg durch Multiplikation mit 1,72 berech-  ge Maßnahme zur Vorsorge gegen Bodenero-
       net. Der Humusgehalt ist vor allem von den   sion und kann u.a. Vorteile hinsichtlich Infil-
       Standorteigenschaften (Bodentextur, Wasser-  tration,  Aggregatstabilität  und  Makrofauna
       haushalt und Klima) abhängig und kann im   des Bodens haben. Sie führt jedoch gegen-



       Landinfo 1/2022                                                                                       45
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