Page 6 - Landinfo Heft 4/2018 Schwerpunkt Gemüse
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Schwerpunktthema























    Foto:  In.Stuttgart /Niedermüller














          Klaus Weber


          Aus der Asche geboren



          Vor 200 Jahren wurde das erste Landwirtschaftliche Hauptfest ausgerichtet. Das „Landwirtschaftsfest
          zu Kannstadt“, wie es in den ersten Jahren genannt wurde, ist aus bitterster Not heraus entstanden.
          König Wilhelm I. von Württemberg beauftragte den neu gegründeten Landwirtschaftlichen Verein mit
          der Ausrichtung des Festes, das in diesem Jahr zum hundertsten Mal gefeiert wird.



          Bild 1                     Das erste Landwirtschaftliche          mit einer Wohlfahrtsinitiative die unmittelba-
          Großer Andrang beim        Hauptfest zu Kannstadt                 re Not zu lindern, erkannte der junge, erst
          Landwirtschaftlichen Hauptfest.                                   35-jährige Regent ganz klar, wo in einem
                                       ls im Jahr 1815 in Indonesien der Vulkan   Land mit landwirtschaftlicher Struktur der
                                   ATambora explodierte, ließ die größte bis-  Hebel angesetzt werden musste: Maßnahmen
                                   her dokumentierte Aschewolke im Jahr dar-  zur Bekämpfung der Teuerung,  wichtige
                                   auf in Europa den Sommer ausfallen. Drama-  Edikte und Gesetze zur Bauernentlastung,
                                   tische Ernteausfälle hierzulande führten zur   Gründung einer landwirtschaftlichen Unter-
                                   schlimmsten Hungersnot seit dem Dreißig-  richts-, Versuchs- und Lehranstalt (heute Uni-
                                   jährigen Krieg. Preise für Grundnahrungs-  versität Hohenheim), Aufbau von drei Ge-
                                   mittel stiegen um 200 bis 500 Prozent. Brot   stütshöfen und zwei Meiereien als Musterhö-
                                   wurde aus Verzweiflung mit Blättern, Gras   fe. Diese „ländlichen Schöpfungen“ hatten
                                   oder Sägemehl gestreckt. „Verzweifelt sah das   den Zweck zu prüfen, aufzumuntern und zu
                                   arme, durch den Druck harter Zeiten ausge-  belehren. Preisverleihungen sollten sich in
                                   sogene Volk diesem Misswachs zu, der den   erster Linie an den Leistungswillen und an
                                   Armen rettungslos zum  Hungertod zu ver-  den Ehrgeiz richten. Mit der Gründung eines
                                   dammen schien“, schrieb der Tübinger Pro-  Landwirtschaftsfestes am 28. September
                                   fessor Christian R. Köstlin.             1818 suchte man eine entsprechende Veran-
                                                                            staltungsform. Dazu wurde zur Gründung
                                   Während die Frau von König Wilhelm I. von   von Landwirtschaftlichen Zweigvereinen auf-
                                   Württemberg, Katharina Pawlowa, versuchte,   gerufen und die „Centralstelle des Landwirth-



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