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Gartenbau und Sonderkulturen





          Bild 2 und 3: Mistelkeimlinge
          ausbohren mit Forstnerboh-
          rer

















                                   Rückmeldezettel bat die Gemeinde um Rück-  lingen und zum Absuchen der Krone nach
                                   meldung. Die Rücklaufquote von fast 90 %   Mistelsamen war zusätzlich die Arbeit in der
                                   auf das gemeindliche Anschreiben übertraf   Baumkrone nötig. Es zeigte sich, dass die
                                   die Erwartungen der Organisatoren bei wei-  Kontrolle und Entfernung der klebrigen Mis-
                                   tem. 80  % der angeschriebenen Personen   telsamen oftmals zeitaufwändiger war als die
                                   wünschte Fremdschnitt durch ein Pflegeteam   Schnittmaßnahmen selbst.
                                   und nur 20 % entschieden sich für den Eigen-
                                   schnitt.                                 Der Umgang mit Bäumen mit starkem Befall
                                                                            (> 15 Misteln auch an Leitastbasis) wurde sei-
                                   Auf Basis der Rückmeldungen konnte die   tens der Organisatoren intensiv diskutiert.
                                   Umsetzung der Schnittmaßnahmen konzi-    Um die weitere Ausbreitung der Mistel zu
                                   piert werden. Die zu bearbeitenden Flurstü-  verhindern, wäre es ausreichend, die Mistel-
                                   cke wurden in räumlichem Zusammenhang    büsche unter Schonung des Kronengerüstes
                                   an acht Teams, bestehend aus jeweils zwei   lediglich abzuschneiden. Da sich Misteln aber
                                   Obstbaumfachwarten, verteilt. Apfelbäume   aus den Wurzelsträngen regenerieren, muss
                                   mit einer Kronenhöhe von mehr als 6 m gin-  diese  Arbeit  kontinuierlich  wiederholt  wer-
                                   gen an zwei Teams mit Kletterzulassung.   den. Dieses Verfahren kommt daher nur bei
                                                                            gesicherter Nachsorge in Betracht.
                                   Als fachliche Hilfestellung sowohl für die
                                   Selbstschneider wie auch für die Pflegeteams   Bei der Mehrzahl der ungepflegten Bäume
                                   wurden vorab zwei Mistelbekämpfungskurse   mit Vollbefall ist leider keine Nachsorge zu
                                   angeboten. Die Vorgabe war, frische Mistel-  erwarten. Aufgrund der Vielzahl der Befalls-
                                   keimlinge bis zum 2./3. Jahr mit dem Forst-  stellen bleibt dann keine andere Wahl, als die
                                   ner- oder Kegelbohrer schonend auszuboh-  Krone mit dem Hochentaster massiv zu
                                   ren (Bild 2 und 3) und ältere Misteln mit Sei-  Rumpfbäumen herunterzuschneiden oder
                                   tensträngen mit dem betroffenen Astab-   den Baum zu roden (Bild 4 und 5). Um neuen
                                   schnitt zu entnehmen. Bei einem Großteil der   Mistelbefall auch am verbleibenden Rumpf
                                   befallenen Bäume handelt es sich um langjäh-  zu verhindern, muss der Torso nach Mistelsa-
                                   rig ungepflegte Apfelbäume, bei denen eine   men abgesucht werden. Derartige Rumpf-
                                   Nachsorge oder weitere Betreuung nicht ge-  bäume treiben in der Regel wie Kopfweiden
                                   geben ist. Um den Baum langfristig mistelfrei   neu  aus,  bilden  sehr  dichte,  unstrukturierte
                                   zu halten, war daher Vorgabe, neben den er-  Kronen und faulen an den Kappstellen ein.
                                   kennbaren Misteln auch alle Mistelsamen   Rumpfbäume bieten immerhin noch länger-
                                   möglichst vollständig zu entfernen.      fristig Lebensräume für Insekten, Vögel und
                                                                            Kleinsäuger und sind von Bedeutung für die
                                   Bäume mit leichtem Befall (< 5 Misteln an der   Biodiversität.
                                   Kronenperipherie) wurden  baumschonend
                                   von der Leiter aus oder vom Boden mit Stan-  Die Schnittarbeiten der Selbstschneider und
                                   gensägen bearbeitet. Bei Bäumen mit mittle-  der Pflegeteams wurden im April abgerech-
                                   rem Befall (5 – 15 Misteln auch an Starkästen)   net. Auf knapp 100 Flurstücken wurden im
                                   erfolgte die Vorarbeit mit dem Hochentaster   ersten Winter über 230 Apfelbäume bearbei-
                                   vom Boden aus. Zum Ausbohren von Keim-   tet. Lediglich vier Bäume  mit Stammbefall


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